„Ich bin Science-Fiction-Autor. Ich verkaufe Träume. Mein Leben ist ein Traum.“ (Philip K. Dick: Valis)
Der Raum hatte kein Fenster. Der alte Mann lag im Krankenbett, diverse Maschinen kontrollierten seine Körperfunktionen. Er sah auf seine Hände hinab. Sie waren voller Runzeln und Flecken. Wie alt war er inzwischen?
Dann kamen die drei Historiker. Jeden Morgen das gleiche Ritual. Sie fragten, ob es ihm gut gehe. Sie überprüften die Nährstoffzufuhr und seine Daten. Dann drehten sie einen winzigen Hahn auf. Die Droge floss über eine Kanüle in die Vene seines rechten Arms.
Er wachte in seinem Kinderzimmer auf. Die Sonne schien hell, er sah den makellos blauen Himmel. Seine Mutter erschien in der Tür. Der Frühstückstisch in der Küche war schon gedeckt. Es gab Toastbrot mit Butter und Marmelade. Ein Glas Milch mit Erdbeergeschmack. Er mochte den Geschmack von Milch nicht. Deswegen standen im Küchenschrank Behälter mit Pulver in den Geschmacksrichtungen Vanille, Banane und Erdbeere, die man in die Milch einrühren konnte.
Er war in der Schule. Der Mathematikunterricht interessierte ihn nicht. Er sah aus dem Fenster oder unterhielt sich flüsternd mit seinem Nachbarn. Nachmittags spielte er Fußball mit seinen Freunden aus der Nachbarschaft. Abends sah er fern. Die Droge ermöglichte es ihm, sich exakt an jede Minute zu erinnern. Alles war in seinem Unterbewusstsein gespeichert. Jetzt konnte er den ganzen Tag noch einmal erleben.
Der alte Mann sprach die ganze Zeit und seine Erzählungen wurden aufgezeichnet. Er konnte von den Stränden berichten und von den Bergen. Vom Leben in der großen Stadt und einem Besuch auf dem Bauernhof. Er hatte studiert und später als Angestellter in einem Konzern gearbeitet. Er hatte jeden Tag die Nachrichten gesehen und wurde für die Historiker auf diese Weise zu einem lebenden Geschichtsbuch. Er hatte viele Bücher gelesen, die auf diese Weise der Nachwelt erhalten blieben.
„Wie lange werden wir diesen Mann noch verwenden können, Mister Grey?“
„Er ist schon sehr alt. Er wird vermutlich sterben, bevor er uns alles erzählt hat. Lassen Sie ihn nur einen Tag pro Monat seines Lebens wiederholen. Vergessen Sie die Nächte, vergessen Sie die Träume.“
„Glauben Sie, diese vielen banalen Details seiner Erinnerungen werden uns helfen?“
„Eines Tages werden wir auf die Oberfläche zurückkehren, Mister Dark. Unsere Kinder sollen das Leben der alten Welt nicht vergessen. Wir werden Computersimulationen herstellen, die es kommenden Generationen ermöglichen, die Vergangenheit zu studieren. Wir haben nicht mehr viele Menschen, die sich an die alten Zeiten erinnern können. Das Gedächtnis dieses Mannes ist ein Museum der Erinnerungen.“
„Wir sind mehr als nur Historiker“, sagte Mister Black, der bisher geschwiegen hatte. „Wir sind die Zukunft.“