Montag, 5. Dezember 2016

Wenn der Porzellanmann zweimal klingelt

„Das Ei heute ist besser als die Henne morgen.“ (Francois Rabelais)
Ich komme aus der drückenden Hitze in die Halle. In der Mitte sehe ich drei farbige Holzwände, auf dem Boden einen Kaschmirteppich. Kameras, Ventilatoren. Überall sind Kabel verlegt. Ansonsten nur nackter Beton, in den Ecken liegen leere Getränkebüchsen und Papierfetzen.
Ich gehe in den Cateringbereich, wo auf einem Holztisch ein paar Schüsseln mit exotischen Früchten, Reis und Currysoße stehen. Eike sitzt auf einem Barhocker und trinkt seinen Chai aus einem Styroporbecher. Ein kleiner Junge bringt ein neues Tablett mit Tee, die Mitglieder der Filmcrew nehmen sich achtlos einen Becher.
Gegenüber probt eine Gruppe junger Mädchen einen Tanz, der später vor der Kamera aufgeführt werden soll. Der berühmte Regisseur Rupert Singh lässt sich das Gesicht mit Ayurvedaöl massieren.
Eike betrachtet ihn lange und denkt: ‚Man muss schon ein richtig übles Arschloch sein, um Erfolg zu haben. Und dieser Mann hat Erfolg.‘
Dann gehen die Dreharbeiten weiter. In Bollywood, einer kleinen Stadt in der Nähe von Mumbai, wird bis zu 23 Stunden am Tag gearbeitet. Manchmal auch länger. Eike weiß natürlich, dass er als Weißer privilegiert ist. Dunkelhäutige haben in der Filmstadt keine Chance, selbst die Hautfarbe der Superstars wird digital nachbearbeitet. Am Tag verdient man hier eine Million Rupien. Das klingt nach viel Geld, in Wirklichkeit sind es umgerechnet nur fünf Euro.
„Kamera läuft.“ – „Ton läuft.“ – „Schweiß läuft.“ Ein uralter Witz beim indischen Film.
‚Aber was willst du machen?‘ fragte sich Eike. ‚In Amerika wollten sie mein Drehbuch nicht, also bin ich jetzt hier.‘
Es hat auch nur leichte Änderungen am Text gegeben, im Prinzip ist die Story die gleiche geblieben. Eike spielt einen Eierbecher, der in einem indischen Slum aufgewachsen ist. Er nimmt an einem Fernsehquiz teil und kann alle Fragen beantworten. In Rückblenden wird sein Leben gezeigt.
Eike wird von einem Fernsehmoderator, gespielt vom berühmten Bollywood-Star Mortimer Khan, gefragt, in welcher deutschen Stadt das erste Porzellan hergestellt wurde. Er grübelt eine Weile.
„Kleiner Tipp: Was reimt sich auf Scheißen?“ fragt der Moderator lachend.
In der nächsten Szene soll Eike eine indische Teekanne küssen.
„Du musst glücklich aussehen, verdammt!“ schreit der Regisseur. „Noch mal! Alles auf Position!“
Ein Dutzend Mal muss er die Kanne aus einfachem Steingut küssen. Sie hat die Form eines Elefanten, der mit kostbaren Teppichen und Ornamenten geschmückt ist. Der Rüssel hat eine Öffnung, aus der man den Tee einschenken kann.
Eike kommt kaum an die Rüsselöffnung heran. Seine Lebensgefährtin Akuma kann gar nicht hinsehen, traurig steht sie hinter den Kameras und Scheinwerfern im Dunkeln.
Dann ist endlich wieder Drehpause.
„Endlich habe ich dich gefunden, Eike.“
Er sieht mich erwartungsvoll aus seinen kleinen Porzellanaugen an.
„Deine Familie vermisst dich. Sie möchten, dass du nach Hause kommst.“
Fortsetzung folgt.
Stan & Laurel do AC/DC. https://www.youtube.com/watch?v=O7fz779suNM

5 Kommentare:

  1. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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    1. Morgen gibt es für den Anarchoherz ein wenig Politik ;o)

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  2. Kommt Eike zurück nach Helmstedt?

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    1. Kam er von da? Ich kann mich an den Anfang der Story gar nicht mehr erinnern ...

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    2. Ich bin auch schon ganz durcheinander

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