Samstag, 9. November 2024

Warten

 

So muss es in den Zeiten des Feudalismus gewesen sein. Der greise Fürst will nicht zugunsten seines Nachfolgers zurücktreten und bleibt trotzig auf dem Thron sitzen. Er versteht die Probleme seiner Untertanen nicht mehr und kann sie auch nicht lösen. Eine Zeit des Wartens, die einem endlos vorkommt. Wir alle kennen es: der verspätete Zug, das Wartezimmer des Arztes, die Schlange an der Supermarktkasse.

König Olaf der Langweilige ist ein gutes Beispiel. Wann stellt er endlich die Vertrauensfrage, um den Weg zu Neuwahlen und zu einer neuen Regierung freizumachen? Er hat im Bundestag keine Mehrheit mehr, möchte aber dennoch mit der Sturheit eines Esels die Gesetze beschließen, die er noch in der Pipeline hat. Er versucht, die CDU/CSU in die vaterländische Pflicht zu nehmen und ihnen notfalls die Verantwortung für das Scheitern seiner Gesetzesvorhaben zu geben. Ein durchschaubares Spiel. Merz hat müde abgewunken. Ohne Vertrauensfrage keine punktuelle Zusammenarbeit.

Noch grotesker sind die Begründungen von Scholz, warum er erst am 15. Januar die Vertrauensfrage stellen will. Deutschland solle doch geruhsam ins neue Jahr gehen. Niemand wolle diese Unsicherheit über Weihnachten und Neujahr. Er unterschätzt, dass wir im Zeitalter der Ungeduld leben. Niemand will eine Hängepartie. Scholz erzählt uns auch, man müsse mehr Zeit haben, um eine Neuwahl zu organisieren. Das ist falsch. Laut Grundgesetz hat der Bundespräsident, nachdem der Kanzler nicht mehr das Vertrauen der Mehrheit aller Abgeordneten hat, 21 Tage Zeit, um Neuwahlen zu genehmigen. Er wird nicht so lange brauchen. Dann müssen innerhalb von sechzig Tagen Neuwahlen stattfinden. Würde Scholz am Montag die Vertrauensfrage stellen und Steinmeier eine Woche später seine Zustimmung zu Neuwahlen geben, könnte also spätestens am 17. Januar 2025 ein neuer Bundestag gewählt werden. Nächster Halt: GroKo oder Jamaika.

Aus König Olaf ist längst Prinz Valium geworden. Einsam sitzt er in seinem Thronsaal und spielt mit seinen Gesetzesvorhaben wie einst die Fürsten mit ihren Zinnsoldaten. Er zögert das Unvermeidliche hinaus, weil er von der Macht nicht lassen kann. Mein Schatz, wispert er mit seiner Gollum-Stimme. Derweil tuschelt der Hofstaat und das Volk murrt. Wir warten, die Zeit steht still.

Karussell - Als ich fortging 1987

 

1 Kommentar:

  1. Derweil thront der dunkle Fürst Friedrich hoch überm wüsten Sauronland auf einem schwarzen Fels und ordnet seine vergilbende Bierdeckelsammlung immer wieder aufs Neue, ein grausiges Grinsen im toten Gesicht. Die Geduld des Fürsten ist in Äonen erprobt. Er weiß, sein Zeitalter wird nun sehr bald anbrechen. Und dann wird er Mittelerde endlich wieder groß machen.
    dndp

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