Blogstuff 947
Woher weiß ich, dass ich nicht
in der Matrix lebe? In der Matrix wären die Politiker besser.
Zum Glück akzeptieren meine
Familie und mein Freundeskreis meinen Lebensstil, der vom Standardmodell
abweicht. Ich fahre weder Auto noch Fahrrad und ich gehe keiner geregelten
Erwerbsarbeit nach. Seit vierzig Jahren habe ich kein Fahrrad, seit dreißig
Jahren kein Auto und seit 13 Jahren keinen Arbeitsvertrag. Aber im Laufe des
Lebens trifft man auf notorische Klugscheißer und Besserwisser, die einem mit
der Hartnäckigkeit von Zeugen Jehovas und dem ekelhaften Eifer von Missionaren
ungefragt gute Ratschläge zur Optimierung des Lebens geben. Hätte ich ihren Rat
jedes Mal befolgt, wäre ich jetzt Besitzer diverser Autos, hätte ein gut
gefülltes Fahrradparkhaus, eine eigene Hundepension, 17 Berufe und drei Hunde.
Hätten Sie’s gewusst? Der
Pragmatismus wurde in Prag erfunden.
Ich wache heute noch schreiend
auf, wenn ich an diese Szene denke. Ich sitze mit dem Lottoschein vor dem
Fernseher, die ersten drei Zahlen sind richtig. In einem einzigen Kästchen!
Dann ruft dieses dusselige Mondkalb aus der Küche: „Na, wie läuft’s?“ Natürlich
kam dann nix mehr. Zehn Jahre habe ich mit dieser nichtsnutzigen Trulla
verbracht. Und so viele Jahrzehnte hat man als gutaussehender junger Mann
nicht.
Atomkrieg. Das war die
Zukunftsangst meiner Jugend. In einer Minute wird wie mit einem einzigen
Fausthieb die gesamte Menschheit ausgelöscht. Die Klimakatastrophe findet in
Zeitlupe statt und wird mich vermutlich nicht mehr treffen. Deswegen gehen die
Entscheidungsträger, die hauptsächlich aus meiner Generation stammen, auch so
gelassen mit dieser Bedrohung um.
Nach dem Ende des Kommunismus
hat sich der Kapitalismus weltweit durchgesetzt, die Demokratie nicht.
Als Exhibitionist bin ich ein
Anfänger, ich übe noch an Bäumen.
Live Aid war vor fast vierzig
Jahren. Damals wurde für die Hungersnot in Äthiopien so viel Geld gesammelt,
dass die Leute dort heute noch an Übergewicht leiden.
Ich folge den Lehren Epikurs und
reduziere meine Bedürfnisse auf das Wesentliche und Notwendige: Essen, Trinken,
Schlafen. Arbeit, Luxusgüter, Reisen usw. gehören nicht dazu.
Lyotard sprach bereits Ende der
siebziger Jahre in „Das postmoderne Wissen“ vom Ende der großen Erzählungen:
Demokratie, Freiheit, Fortschritt, Religion, Wissenschaft, Kultur. Die großen
Erzählungen schufen eine Gemeinschaft. Heute irrt der Einzelne durch ein
Labyrinth kleiner und kleinster Erzählungen und wir verstehen einander nicht
mehr.
Wer hat nicht alles die Meere um
Europa beherrscht: Phönizier, Karthager, Römer, Araber, Wikinger, Spanier,
Briten, Genuesen und Venezianer. Nur die friedlichen Rheinhessen haben nie nach
der Seeherrschaft gestrebt. Sie pflegen bis heute ihre Weinberge und sind damit
zufrieden.
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