Mittwoch, 31. Januar 2024

Das Haus


In meinem Haus leben einige bemerkenswerte Persönlichkeiten. Da wäre zum Beispiel Dietlinde Turbanek. Sie gibt sich gerne einen intellektuellen Anstrich, arbeitet aber in Wirklichkeit in einer Behindertenwerkstatt. Im Stillen nenne ich sie „Mongo-Bändiger“. Ihren soziologischen Jargon benutzt sie als Köcher für ihre Giftpfeile. Sie redet gerne von „Atomisierung der Gesellschaft“ und „toxischer Männlichkeit“. Ich stelle mir vor, wie sie „Fahrstühlin“ und „Haustürin“ sagt. In ihrer Gegenwart würde ich es nicht wagen, eine Bratwurst zu essen. Sie hatte in ihrer Jugend Akne. Ihre Haut sieht aus wie ein Blatt Papier, das man erst zusammengeknüllt und dann wieder glattgestrichen hat.

Dann haben wir noch Basilius Wutvogel, der von sich behauptet, er würde im Marketing arbeiten. In Wirklichkeit laminiert er Speisekarten. Leander Blumentrost gibt vor, keine Zeit zu haben. Er wirkt immer bestenfalls vergeistigt, aber in erster Linie verloren. Laut seiner Internetseite ist er Privatgelehrter und arbeitet seit sieben Jahren an einer „Geschichte des Briefbeschwerers“. Aber eigentlich bezieht er Bürgergeld und absolviert gerade ein Weiterbildungsprogramm, das ihn für den Beruf des Pförtners qualifizieren soll.

Dann haben wir im Erdgeschoss zwei neureiche Proleten. Ein widerlicher Emporkömmling und sein Hilfsarbeiterflittchen. Er ist Vertriebsleiter im Bereich Wurzelbürsten und Schnürsenkel, sie läuft gerne mit gefakten Dior-Handtaschen durch die Gegend. Gegenüber wohnt ein vietnamesisches Ehepaar nebst Kleinkind. Wie alle Vietnamesen arbeiten sie in einem thailändischen Restaurant. Wenn sie sich gegenseitig anschreien, klingen sie wie Katzen.

Eigentlich bin ich der einzige normale Mensch im Haus. Während ich meine Hemden bügle, gehe ich im Geist die Namen der Steine durch. Ich habe sie auf meinen Spaziergängen gesammelt, sie mit Gesichtern bemalt und sie in meinem Spülbecken auf ihre Namen getauft. Hinter mir sitzt ein Waschbär auf dem Sofa, der in einem unbeobachteten Moment durch die Wohnungstür geschlüpft ist. Ich weiß genau, dass er mich anstarrt. Ich spüre seine Blicke auf meinem Hinterkopf. Aber jedes Mal, wenn ich mich blitzschnell umdrehe, schaut er in eine andere Richtung. Ich verdiene mein Geld als Versuchsperson in einem Labor, das sich auf die Entwicklung neuer Psychopharmaka spezialisiert hat. Es geht mir gut.

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