In meinem Haus leben einige bemerkenswerte
Persönlichkeiten. Da wäre zum Beispiel Dietlinde Turbanek. Sie gibt sich gerne einen intellektuellen
Anstrich, arbeitet aber in Wirklichkeit in einer Behindertenwerkstatt. Im
Stillen nenne ich sie „Mongo-Bändiger“. Ihren soziologischen Jargon benutzt sie
als Köcher für ihre Giftpfeile. Sie redet gerne von „Atomisierung der
Gesellschaft“ und „toxischer Männlichkeit“. Ich stelle mir vor, wie sie
„Fahrstühlin“ und „Haustürin“ sagt. In ihrer Gegenwart würde ich es nicht
wagen, eine Bratwurst zu essen. Sie hatte in ihrer Jugend Akne. Ihre Haut sieht
aus wie ein Blatt Papier, das man erst zusammengeknüllt und dann wieder
glattgestrichen hat.
Dann
haben wir noch Basilius Wutvogel, der von sich behauptet, er würde im Marketing
arbeiten. In Wirklichkeit laminiert er Speisekarten. Leander Blumentrost gibt
vor, keine Zeit zu haben. Er wirkt immer bestenfalls vergeistigt, aber in
erster Linie verloren. Laut seiner Internetseite ist er Privatgelehrter und
arbeitet seit sieben Jahren an einer „Geschichte des Briefbeschwerers“. Aber
eigentlich bezieht er Bürgergeld und absolviert gerade ein
Weiterbildungsprogramm, das ihn für den Beruf des Pförtners qualifizieren soll.
Dann
haben wir im Erdgeschoss zwei neureiche Proleten. Ein widerlicher Emporkömmling
und sein Hilfsarbeiterflittchen. Er ist Vertriebsleiter im Bereich
Wurzelbürsten und Schnürsenkel, sie läuft gerne mit gefakten Dior-Handtaschen
durch die Gegend. Gegenüber wohnt ein vietnamesisches Ehepaar nebst Kleinkind.
Wie alle Vietnamesen arbeiten sie in einem thailändischen Restaurant. Wenn sie
sich gegenseitig anschreien, klingen sie wie Katzen.
Eigentlich
bin ich der einzige normale Mensch im Haus. Während ich meine Hemden bügle,
gehe ich im Geist die Namen der Steine durch. Ich habe sie auf meinen
Spaziergängen gesammelt, sie mit Gesichtern bemalt und sie in meinem Spülbecken
auf ihre Namen getauft. Hinter mir sitzt ein Waschbär auf dem Sofa, der in
einem unbeobachteten Moment durch die Wohnungstür geschlüpft ist. Ich weiß
genau, dass er mich anstarrt. Ich spüre seine Blicke auf meinem Hinterkopf.
Aber jedes Mal, wenn ich mich blitzschnell umdrehe, schaut er in eine andere
Richtung. Ich verdiene mein Geld als Versuchsperson in einem Labor,
das sich auf die Entwicklung neuer Psychopharmaka spezialisiert hat. Es geht mir gut.
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