Dienstag, 8. Februar 2022

1984 – Die Digitalisierung der deutschen Schulen beginnt

 

„Computer in alle Schulen, alle Schüler an die Computer - dieses Programm wollen die Kultusminister zügig verwirklichen. Noch fehlt es an Rechnern und an Lehrern, die mit ihnen umgehen können.“ (SPIEGEL-Titelstory 47/1984: Alarm in den Schulen: Die Computer kommen)

Inkompetenzverschleppung. Das ist der Fachausdruck für das politische Versagen im Bildungsbereich. 1984 gab es an meinem Gymnasium einen Computer. Nur eine Handvoll Nerds der Computer AG und ein Mathelehrer durften ihn benutzen. Wir nannten den Raum, in dem die Zukunft stattfand, das Tabernakel.

„Binnen weniger Monate ist es zu einem Thema der Nation geworden, ob es zu wünschen und wie es zu erreichen ist, dass nicht mehr nur eine Minderheit, sondern die gesamte deutsche Jugend den Umgang mit Computern lernt - und zwar nicht zu Hause, sondern in der Schule.“ So heißt es im SPIEGEL-Artikel. Das waren noch Zeiten. Der Krieg der Sterne tobte im Kino und im Spatzenhirn eines größenwahnsinnigen US-Präsidenten. Die Bürger fragten sich tatsächlich, wie man die Zukunft gestalten könne.

Eine „Gesellschaft für Informatik“ schlägt allen Ernstes vor, Informatik für die Klassen 5 bis 10 zum Pflichtfach zu machen. 1984. Heute lachen wir darüber. 32 Jahre später sind wir keinen Schritt weiter. An den Schulen wird eine Pandemie mit Stoßlüften bekämpft. Es ist fünfzig Jahre her, dass Informatik offiziell als Schulfach eingeführt wurde. 1972, Willy Brandt ist Bundeskanzler. In der Praxis gibt es nur sehr wenige Kurse. Welcher Informatiker geht schon an ein Gymnasium? Von Real- und Hauptschule ganz zu schweigen.

1984 ist von „technischen Analphabeten“ die Rede. Neben Lesen, Schreiben und Rechnen soll Programmieren zur vierten Kulturtechnik erhoben werden. Wie viele Kinder lernen 2022 das Programmieren in der Schule? Aber Overhead-Projektor und Faxgerät gibt es immer noch.

„Computer in alle Schulen, alle Schüler an die Computer, einschlägige Themen in viele Fächer zu bringen - das ist ein gewaltiges Programm. Wird es auch nur annähernd so verwirklicht, wie es jetzt verkündet und vorbereitet wird, so wird es die deutsche Schule stärker verändern als die meisten Reformen, die es seit Kriegsende gab. Eine Revolution des Unterrichts steht demnach bevor, es herrscht Alarmstimmung.“ Zum Glück haben wir es in Deutschland nicht so mit Revolutionen.

Damals gab es aber angeblich einen „Druck der Basis“, da immer mehr Computer an Privathaushalte verkauft wurden, überall Computershops eröffneten wie später die Handy-Läden und es zwei Dutzend Computerzeitschriften gab, die hauptsächlich von jungen Leuten gelesen wurden. Es hieß, mehr als siebzig Prozent aller Berufe würden von den neuen Technologien geprägt werden. Wusste man damals, weiß man heute. Passiert ist wenig bis nichts. Die „Basis“ hat resigniert.

P.S.: Lustiges Detail: Deutschlands Antwort auf den C64 war der Alphatronic von Triumph-Adler. 1985 wurde der Verkauf eingestellt. Auch Nixdorf verschwand vom Markt, nachdem der Unternehmensgründer auf der Cebit 1986 tot umgefallen war und die Firma von Siemens übernommen wurde.

Alarm in den Schulen: Die Computer kommen - DER SPIEGEL

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13 Kommentare:

  1. 1984 wohnte ich in CH-Rheinfelden und kaufte den Schneider CPC464 in D-Rheinfelden. Damals war ich noch nicht Gärtner. 1985 machte ich einen Computerkurs in Basel: Logo. 1986 schrieb ich für den Schneider CPC464 ein kleines Programm für die Kantonspolizei in Rheinfelden.

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  2. Ach Computer...
    Meine Generation hatte erst im Studium, so 3. Semester, Kontakt mit diesen Rechenmaschinen.
    Wir haben das aufgesogen wie Schwämme und waren innerhalb kürzester Zeit fit im Umgang mit dem Zeug.
    Ich sehe garnicht die Notwendigkeit, bereits in der Schule programmieren zu lernen.
    Wobei sowieso zu trennen ist zwischen dem Umgang mit Windows und Systemprogrammen sowie Programmieren.
    Lieber schreiben lernen, also von Hand, oder Geschichte. Und zwar nicht nur die Nazizeit.
    Die deutsche/europäische Geschichte ist derart komplex und hat Auswirkungen bis heute.
    Ein weites Feld. Computer sind so einfach zu bedienen, das kann man ziemlich schnell.
    Und die meisten Lehrer heutzutage kennen sich schon mit dem Zeug aus, so isses nicht.
    Siehe oben, heute schon 1. Semester und so.

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  3. Wir hatten so ein großartiges Sprachlabor voller, so kam es mir 1977 vor, extraterretristischer Hochleistungs-Computer vom Jupiter. Jeder Schüler hatte sein eig Elektronikpult samt Knöpfen und Schiebern und Headphones, und dann wurde ein Satz auf Französisch eingespielt und man mußte ihn nachsprechen, er wurde aufgezeichnet und man durfte sich die eig frz-feuchte Aussprache anhören und korrigieren. Ob da wirkl Computer die Finger im Spiel hatten? Waren wahrscheinlich alles nur hochgepimpte alte Kung Fu-Tonbänder auS dem frühen China.

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    1. Ich habe in den 90ern noch mit Microfiches gearbeitet, wenn ich für eine Hausarbeit recherchiert habe ... Copy & Paste gab es erst nach meinem Studium. Da hätte ich mir viel Zeit sparen können.

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  4. Die Digitalisierung in ihrem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf. In meiner Schulzeit in den 90ern haben wir im Computerraum noch den Umgang mit Lochkartenlesern gelernt. Wir waren echte Digital Natives.

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    1. Klar ! Die ersten Gehversuche gingen noch mit Lochkarten ab.
      Aber das Thema hieß schließlich Programmieren.
      Ausgabe über Nadeldrucker.
      Im nächsten Semester hatten wir dann schon Bildschirme.
      Und dann ging es Schlag auf Schlag.
      Die PC-Dichte stieg von Semester zu Semester überproportional.
      Es war halt diese Umbruch oder Anfangszeit, die ich genau an der Grenze miterleben durfte.
      Davor nix, zum Schluß normal, und das in 4 Jahren.
      Schon beeindruckend.

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    2. Wobei dieses Schlag auf Schlag zu relativieren ist.
      Anfänglich standen den Studenten 2 XT sowie ein Apple zur Verfügung.
      Dann wurden es 4, dann 10.
      Also für die ganze Hochschule.
      So gesehen schon barmherzig.

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  5. Copy/Paste?
    Wer Anfang der 70er im Fotosatz arbeitete, wird sich noch ans Diatype erinnern.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Diatype
    Dagegen ist MS Word heute noch der blanke Horror.

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  6. Wer seit Gründung der Bundesrepublik etwas zielsicher beerdigen möchte, der verschafft dem Problem Gesetzesrang, oder noch tödlicher, eine Erweiterung des Grundgesetzes.
    Sobald das erledigt ist, verkommt das ganze Anliegen zu einer permanenten Spielwiese für Nachbesserungen, Reformen und sinnfreier Diskussion. Die einzigen Profiteure sind Heerscharen von Juristen.

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  7. An die Computer durften auch in meiner Generation nur die mathematischen Genies und Nerds. Das änderte sich auf der Handelsschule, die bemerkenswert ausgestattet war. Netzwerktechnik war Anfang der 90er aber noch in den Kinderschuhen. Da konnte man noch lustigen Klamauk nur mit dem Send-Befehl anstellen.
    Heute kommt das hochmoderne Schmerzmaterial natürlich hauptsächlich von Bertelsmann. Daher lernst Du natürlich als Erstes, was für 'n tolles Unternehmen doch diese olle Drückerkolonne nicht ist. Gerne anhand der veralteten Spartenorganisation.

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  8. ....Alphatronic von Triumph-Adler....hatte ich damals 1982.....Buchhaltung/Fakturierung/Lagerhaltung....
    mit einem edlen Typenradrucker....10.000 DM und fast dasselbe noch mal für die Programme.....

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  9. ... der typische Kiezschreiberleser gibt sich zu erkennen - Buchhalter und Erbsenzähler.

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