„Nichts kann mehr zu einer Seelenruhe beitragen, als wenn man gar keine Meinung hat.“ (Georg Christoph Lichtenberg)
Es war an einem Montag gegen elf Uhr, als Gottes kleiner Bruder die Erde betrat. Er stand mitten im Wald und sah an seinem nackten Körper hinunter. Niemand hatte ihn ankommen sehen, aber ich schätze, es war so wie bei den Zeitreisen in den Terminator-Filmen mit Arnold Schwarzenegger. Gottes kleiner Bruder war jedoch eher klein und schmächtig. Also schuf er sich als erstes ein weites Gewand aus hellem weichem Stoff und ein Paar solide Schuhe.
Er wanderte in den nächsten Ort. Es war ein kleines Dorf namens Wichtelbach. Er grüßte jeden, der vorüberkam. Die Leute grüßten zurück und gingen weiter. Gottes kleiner Bruder war gekommen, um die Welt zu retten. Aber wie sollte er es anstellen? Also fragte er eine alte Frau, an wen er sich wenden könne, er sei neu im Ort. Gehen Sie am besten zum Bürgermeister, antwortete ihm die Frau und wies ihm den Weg.
Der Bürgermeister empfing ihn freundlich, wusste aber auch nicht, wie er ihm mit seinem Anliegen helfen könne. Insgeheim befürchtete er, vor ihm stünde ein Geisteskranker. Er verwies ihn ans Landratsamt in der Kreisstadt. Gottes kleiner Bruder machte sich unverzüglich auf den Weg in die Stadt. So verging der erste Tag.
Als der Landrat ihn endlich empfing, stellte sich heraus, dass dieser ihm auch nicht helfen könne. Er solle sich doch an die Presse wenden und gab ihm die Telefonnummer der Lokalredaktion. Auch fragte er ihn, wie er den heiße. Gottes kleiner Bruder überlegte kurz und antwortete: Hermanito. Eigentlich hatte er gar keine Lust, mit einem Reporter zu sprechen. Wer weiß, was diese Leute aus seiner Geschichte machen würden? Aber die Sache mit den Medien war eine gute Idee.
Am gleichen Abend erschien Hermanito auf allen Fernsehkanälen der Welt. Gleichzeitig, live und in Farbe. Er verkündete, dass er Gottes kleiner Bruder sei und die Welt retten wolle. Als ersten Schritt beabsichtige er, den Reichtum der Welt gleichmäßig auf alle Menschen zu verteilen. Die Reaktion war gewaltig. Er war das Thema Nummer 1 in jedem Gespräch. Aber die Milliardäre, die zu diesem Thema interviewt wurden, weigerten sich, ihr Geld abzugeben. So verging der zweite Tag.
Am nächsten Tag schuf Hermanito sich eine bescheidene Hütte auf einem Hügel, um Ruhe zu finden. Er wollte nachdenken. Inzwischen wurde er von Reportern belagert, die ständig an seine Tür klopften. So konnte es nicht weitergehen. Also beschloss er, vierundzwanzig Stunden nach seiner Fernsehansprache, ein Zeichen zu setzen. Auf einen Schlag fielen die tausend reichsten Menschen tot um. Kein Wachpersonal, keine Sicherheitsanlagen hatten sie schützen können. Sie waren tot. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer um die Erde. Die Milliardäre waren weg. Hermanito sprach seine Forderung in die Mikrophone der Reporter: Verteilt den Reichtum unter die Armen. So verging der dritte Tag.
Am nächsten Tag meldeten sich die Erben der Vermögen und begannen zögernd, Geld an Hilfsorganisationen zu überweisen. Aber es ging alles viel zu langsam und die Reichen dachten, ihre Vermögen in den Steueroasen wären dem Blick von Gottes kleinem Bruder verborgen geblieben. Also beschloss Hermanito den nächsten Schritt. Er versprach, alle Waffen auf der Welt zu vernichten. Man solle sich bis Mitternacht aus den Waffenfabriken entfernen, denn auch sie würden zerstört werden. Und tatsächlich: über Nacht waren alle Schusswaffen und alles militärische Gerät verschwunden. So verging der vierte Tag.
Am Freitag waren alle Kriege vorbei. Die Soldaten hatten keine Waffen mehr, die Waffenfabriken waren verschwunden. Flugzeugträger und Atom-U-Boote waren ohne Waffen und fuhren in ihre Häfen zurück. Bomber und Panzer waren verschwunden, es gab keine Atomwaffen mehr. Aber auch die Polizei und die Wachmannschaften der Reichen hatten keine Waffen mehr. Es gab Plünderungen, die nur mit Knüppeln und Tränengas nicht aufgehalten werden konnten. Die Paläste der Reichen wurden regelrecht auseinander genommen.
Es kam zu Volksaufständen. Trump wurde aus dem Weißen Haus gezerrt und Putin flog aus dem Kreml. Die Nordkoreaner stürmten Südkorea, die Herrschaft der Kim-Dynastie war vorüber. Millionen Palästinenser überquerten die Grenze zu Israel, niemand konnte sie aufhalten. Sie begannen, Häuser zu bauen und Gärten anzulegen. So verging der fünfte Tag.
Hermanito war unzufrieden. Er versuchte immer das Gute, das war aber schwerer als er dachte. Inzwischen war sein kleines Haus von zehntausenden Menschen belagert, die voller Wünsche und Ideen waren. Er hörte ihnen aufmerksam zu. Also schuf er genügend Nahrungsmittel für die Menschen in Afrika und in anderen armen Ländern. Aber die Leute wollten nicht nur satt sein. Also gab er ihnen neue Kleider. Aber sie sahen das Elend ihrer Hütten und wollten mehr. Hermanito ahnte: Wenn ich ihnen Häuser gebe, werden sie Autos haben wollen.
Er musste radikaler vorgehen, es war schon Samstag. Also ließ er alles Geld auf Bankkonten und in Steueroasen, alles Bargeld, alles an Gold, Schmuck und Diamanten in einem einzigen Augenblick verschwinden. Aber die Menschen jammerten, denn er hatte die Wirtschaft der ganzen Welt ins Chaos gestürzt. Wie sollte man ohne Geld Handel betreiben? Wie sollten sich die Menschen in den Städten ernähren, die von Landwirtschaft keine Ahnung hatten? So verging der sechste Tag.
Schließlich hat Gott ein Einsehen und holte seinen kleinen Bruder am Sonntagmorgen zurück. Er sagte nichts und gab ihm einen Job im Himmel. Heute leitet Hermanito den Vergnügungspark für die Kinder und ist sehr zufrieden.
5000 Volts - I'm On Fire. https://www.youtube.com/watch?v=J84DXzDMG_M
P.S.: Bevor mal wieder unqualifizierte Fragen auftauchen, habe ich ein paar Infos für Sie zusammengestellt. Ja, Gott ist ein Mann. Ja, er hat einen kleinen Bruder und eine große Schwester. Die Schwester war für die Einhörner (schon ausgestorben), die Flamingos und Norwegen zuständig. Ja, alle drei sind Mexikaner. Daher der Name „Hermanito“, übersetzt: kleiner Bruder.
... tatatatatataaaaaaaaaaaa (ړײ) *HELAU*
AntwortenLöschenI'm on fire, 5000 Volts! Ich war 14, und der Song lief von morgens bis abends in meinem Kopf und nachmittags auf dem Kassettenrekorder. (Was ich jetzt erst erfahre: die Sängerin von 5000 Volt war Tina "I love to love" Charles. Tolle Stimme!)
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