König Klappstulle residiert in einem Chalet, das er eigenhändig auf einem Fundament aus Euro-Paletten errichtet hat. Die Wände sind aus Spanplatten, die Fenster aus Plastikfolie und das Dach besteht aus acht Motorhauben, die mit Eisenketten verbunden sind. Eine Matratze, eine Holztruhe, ein Tisch und ein bequemer Ledersessel bilden das Interieur. Auf dem Tisch befinden sich stapelweise Blätter voller Textfragmente und alte Zeitungen, auf deren Rändern er sich Notizen macht. Eines Tages wird er das Material zusammenfassen. Er wartet einfach auf den richtigen Zeitpunkt.
Die Sonne scheint und der Stullenkönig öffnet erwartungsfroh seine Tür, die früher tatsächlich mal eine Tür gewesen ist. Auf ihrer Vorderseite prangt ein großes H, offensichtlich gehörte sie mal zu einer Herrentoilette. Das Chalet steht in einem kleinen Birkenwäldchen und dieses Wäldchen steht wiederum auf dem Hof einer verlassenen Fabrik, die von hohen Backsteinmauern umgeben ist. Er wohnt hier ganz allein, denn ein schweres schmiedeeisernes Tor versperrt den Zugang zur Straße. Aber in einer Seitenmauer ist eine schmale Bresche, durch die man ein Gebüsch erreicht. Und auf der anderen Seite des Gebüschs ist der Parkplatz eines Baustoffhandels.
Hier ist der Stullenkönig ganz in seinem Element. Er macht auf der Mitarbeiter-Toilette an der Rückseite der riesigen Halle eine ausführliche Katzenwäsche und erledigt die vordringlichsten Geschäfte. Dann betritt er wohlgemut und erleichtert den Backshop an der Vorderseite.
„Wie immer?“ fragt die Verkäuferin.
„Wie immer“, sagt der König und lacht vergnügt.
Zwei Klappstullen vom Vortag. Eine mit Schinken, eine mit Käse. Dazu einen großen Pott Kaffee. Für ihn kostenlos. Dafür trägt er anschließend die Abfälle zum Müllcontainer und leert den Mülleimer vor der Tür.
„Was gibt’s Neues in der Welt?“ fragt er die Verkäuferin.
Sie erzählt ihm die kleinen und großen Dinge aus den Nachrichten.
König Klappstulle schüttelt den Kopf. Kein gutes Material. Es lohnt sich nicht darüber zu schreiben.
„Dann muss ich mir wohl wieder selbst was ausdenken“, sagt er zur Verkäuferin.
„Wann ist dein Buch denn endlich fertig?“ fragt sie ihn.
„Bald“, sagt er und beißt in die Käsestulle. „Bald.“
***
Sie sitzt am Fenster ihrer Wohnung. Dritter Stock, Hinterhof. Abends ist das Licht am besten. Auf der Leinwand entsteht ein Porträt von König Klappstulle. Die ausgefranste Jeans, die ihm viel zu groß ist, und die nur von Hosenträgern gehalten wird. Der dunkelrote Bademantel aus Frottee, der meistens offensteht. Manchmal trägt er auch einen schwarzen Frack. Sandalen im Sommer, Lederstiefel im Winter. Dazu seine bunten Inka-Mützen, von denen er einige hat. Dunkelbraune Locken, Vollbart. Sein Lächeln.
Sie hat schon einige Bilder gemalt. Sie kennt die Geschichten vom König Klappstulle nicht, aber sie stellt sich die Geschichten vor. Auf einem Bild ist auch der Backshop zu sehen, in dem sie tagsüber arbeitet. Andere Bilder zeigen die Stadt oder es sind Phantasielandschaften mit Tieren, die sie sich selbst ausgedacht hat. Manchmal kommt der König auch noch mal kurz vor Feierabend. Dann gibt sie ihm ein paar von den Sachen, die sie sowieso wegschmeißen muss. Nussecken und Schweineohren, Amerikaner und Puddingteilchen. Wenn sein Buch fertig ist, sind auch ihre Illustrationen fertig. Bisher hat sie ihm noch nichts davon erzählt.
Muddy Waters - Louisiana Blues.
https://www.youtube.com/watch?v=mQAhLUnV1FU
" Wenn sein Buch fertig ist, sind auch ihre Illustrationen fertig"
AntwortenLöschen... und dann landet ein UFO, hab´s vergessen WARUM ?!? (ړײ)
Zur Musik empfiehlt sich noch das Bluesfestival von https://www.youtube.com/watch?v=Ml1i2bFJ0Yk
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