Montag, 8. Juni 2020

Die toten Augen von Washington


„The conspiracy theory of society … comes from abandoning God and then asking: ‘Who is in this place?’” (Karl Popper)
Weißes Haus, Washington. Trump sitzt in seinem Bunker und sieht Fox auf einem Großbildschirm. Er isst einen lauwarmen Big Mac und trinkt eine Pepsi. Der Präsident ist allein. Ich kann mich auf niemanden mehr verlassen, denkt er. Ein Genie, umgeben von Idioten.
Seine Leute bekommen die Corona-Krise nicht mehr in den Griff. Inzwischen ist die Zahl der Toten so hoch wie die amerikanischen Verluste im Ersten Weltkrieg. Die größte Epidemie seit der Spanischen Grippe, die größte Wirtschaftskrise seit hundert Jahren und die größten Demonstrationen seit der Ermordung von Martin Luther King. Ohne die Hilfe seines besten Freundes kann er die Wahl im November nicht gewinnen, das ist klar.
Ursprünglich wollte er das Militär einsetzen. Aber das sei zu riskant, hatten ihm die Generäle erklärt. 43 Prozent der Soldaten sind Farbige. Was ist, wenn sie sich mit den Demonstranten solidarisieren, statt auf sie zu schießen? Das Weiße Haus ist weitläufig abgeriegelt. Das heißt aber auch, dass er keine Staatsgäste mehr empfangen kann. Einige Straßen der Hauptstadt sehen aus, als kämen die Bilder aus Syrien. Millionen Menschen protestieren im ganzen Land. Millionen haben ihre Arbeit verloren, ihre Wohnungen, ihre Häuser, ihre Krankenversicherung. Sie schlafen mit ihren Kindern im Auto und stehen tagsüber kilometerlang Schlange, um Lebensmittel zu bekommen. Solche Bilder kennt er nur aus den Shithole Countries, aus der Dritten Welt. Er will sie nicht sehen. Er will nicht darüber sprechen. Er ist der beste Präsident, den Amerika je hatte.
Er drückt den Knopf der Sprechanlage: „James, bringen Sie mir noch ein Dutzend Chicken Wings und einen Schokoladen-Milkshake.“
***
Kreml, Moskau. Putin war gerade in der Sauna. Er ist nackt und kniet auf allen Vieren. Eine blonde Domina mit großen, schneeweißen Brüsten versohlt ihm gerade den Arsch mit frischen Birkenzweigen. Ein alter russischer Brauch, den er um eine erotische Note erweitert hat. Der Präsident lächelt. Endlich haben wir uns gerächt, denkt er. Die Amerikaner haben uns mit ihrem V-Mann Gorbatschow infiltriert, wir haben uns mit Trump revanchiert.
Als Trump geschäftlich in Moskau war, hatte er Trump den Floh ins Ohr gesetzt, er könne Präsident seines Landes werden, so wie er Präsident von Russland geworden sei. Quasi aus dem Nichts. Er hatte auf der Klaviatur von Trumps Eitelkeit gespielt und tatsächlich hatte Trump sich zur Kandidatur für die Präsidentschaftswahl entschlossen. Ab diesem Zeitpunkt lief die Unterstützung durch den russischen Geheimdienst, Hacker, Trolle und Diplomaten wie am Schnürchen. Und tatsächlich: Gegen alle Erwartungen eroberte ein ahnungsloser Bauunternehmer, der zuvor noch nicht einmal Dorfbürgermeister gewesen war, das wichtigste politische Amt der Welt. Gorbatschow hat die Sowjetunion zerstört, Trump zerstört gerade die Vereinigten Staaten.
„Fester“, schreit Putin und lacht. „Fester.”
***
Bonettis Observatorium, Wichtelbach. „Ausgezeichnet”, sagt der wahre Herrscher der Welt und reibt sich die Hände. „Mein Plan vollendet sich.”
Die Dämmerung wirft ihren dunkelblauen Schatten über die Landschaft. Bonetti blickt über das Tal und betrachtet lange die vielen winzigen Lichter der Häuser und Laternen. In der Summe wirken sie, als verberge sich hinter ihnen ein Rätsel, ein unergründetes Mysterium. Aber hinter jedem dieser erleuchteten Fenster leben nur Menschen, die von seinem Plan nichts wissen. Das letzte, das große Geheimnis kennt nur er allein.
The Big Rock Candy Mountains. https://www.youtube.com/watch?v=JqowmHgxVJQ

3 Kommentare:

  1. Was-willst-du-trinken?-Tag 2020
    8. Juni 2020 in der Welt

    ...heute, die wichtigste FRAGE aller FRAGEN !!! *hehe*

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  2. Das ist schick! Ich hätte nur das Ende weggelassen, um den Input der geneigten Leser abzugreifen und ggf. den Text noch zu erweitern.

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  3. Das hatte ich mir bereits genauso gedacht.....

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