Samstag, 25. Juli 2009

Scheitern


Über das Scheitern ist nicht genug geschrieben worden. Aber wer kann vom Scheitern schon berichten? Viele Gefallene sind verstummt. Und die wenigen aufrechten Gescheiterten müssen sich im Triumphgeheul moderner Oberflächlichkeit eine Stimme verschaffen. Reden und schreiben ist das eine, zuhören und lesen das andere. Was kann man aus den Erzählungen der Gescheiterten lernen? Wie man es nicht macht? Wenn man auf einer Party nach seinem Namen gefragt wird, antwortet man schließlich auch nicht: Ich heiße nicht Fred. Über den Umweg des Gescheiterten und seine Erzählung wird man kein Gewinner. Und das scheint ja offensichtlich für die überwiegende Mehrheit der Menschen der Hauptzweck des Daseins zu sein. Der geheime Genuß des Scheiterns muß ihnen verborgen bleiben. Wer gescheitert ist, hat das Spiel hinter sich. Er ist erleichtert und kann fortan alles gelassen sehen. Wer in der Bundesliga auf dem letzten Tabellenplatz steht, kann aufatmen. Tiefer kann man nicht mehr sinken, es kann nur noch aufwärts gehen. Und erzähle mir keiner was von Abstieg. Ich glaube nicht an Wiedergeburt. Das Leben ist wie eine Saison und Platz 18 ist der behagliche Ruhepol des glücklichen Faulpelzes. Wer gescheitert ist, sollte nicht den Fehler begehen, es noch einmal versuchen zu wollen. In Deutschland wird es einem ohnehin nicht gedankt. Hinter dem Scheitern liegt das Reich der Freiheit. Und es ist angenehm ausgestattet. Was brauche ich? Essen, trinken, das "Dach über dem Kopf". Hat man alles immer. Musik, Fernsehen, Bücher? Kein Problem. Gelegentlich eine neue Unterhose und Blumen für Mutti? Geht auch irgendwie. Was soll’s also? Laut einer Versicherungsstatistik ist "Gehen auf ebener Erde" die sicherste Fortbewegungsart. Das kann ich bestätigen. Nicht fallen, rennen, taumeln, torkeln, kriechen, kugeln, robben, rollen, stürzen, straucheln, hinken, hasten und was es der Fortbewegungsarten mehr gibt. Das einfache Gehen, zumal auf ebener Erde, ist die wundervollste Art, sich auf dieser schönen Welt fortzubewegen. Bei allen fernen Zielen sollten wir uns fragen, ob sie es wert sind, zu Fuß erreicht zu werden. Sind sie es nicht, sollten wir zu Hause bleiben.

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