Sonntag, 26. März 2023

Berlin 2050

 

Berlin hat endlich wieder ein Tacheles. Das erste stand in der Oranienburgerstraße, Ecke Friedrichstraße und war ein ehemaliges Kaufhaus. Das neue Tacheles ist auch ein ehemaliges Kaufhaus. Im KaDeWe haben jetzt Künstler ihre Ateliers eingerichtet. Tag und Nacht schlendern hunderte junge Leute durch die Stockwerke, sehen sich Skulpturen, Videos und Bilder an, diskutieren, lachen und trinken Rotwein.

Die Generation Z hat es mit Arbeitsverweigerung, Quiet Quitting und Ablehnung von Karriere und Konsum vorgemacht. Die Generation A hat diesen Trend fortgesetzt und setzt ausschließlich auf Basic Needs. Einfache Mahlzeiten ohne Fleisch, Leitungswasser und ein Zimmer pro Person. Die Alten haben die Innenstadt verlassen, die Unternehmen haben aufgegeben oder ihre Produktion nach Asien verlagert. Arbeitskräftemangel und fehlende Innovationen haben zu einer Deindustrialisierung der deutschen Hauptstadt geführt.

Von Brandenburger Bauern kaufen sie Getreide und backen ihr Brot selbst. Butter, Obst und Gemüse kommt ebenfalls aus dem Umland. Berlin ist Avocado-frei. Es leben nur noch zwei Millionen Menschen in der Stadt. Die Mieten sind spottbillig, es gibt viel Leerstand und hunderte besetzte Häuser. Armut ist der Alltag. Die Reichen leben in ihren Villen im Grunewald oder sind nach Baden-Baden gezogen. Der Bundestag ist wieder in Bonn. Es ist wie damals in West-Berlin. Wer keinen Bock auf Kapitalismus hat, kommt in diese Stadt.

Es gibt überall wieder jede Menge Lofts für Künstler aus aller Welt. Die Industriebrachen ziehen Musiker und Maler, Dichter und Denker an. In den leerstehenden Filialen von Deichmann und McDonald’s sind jetzt Off-Theater und Kaffeehäuser, Bars und Clubs, Fahrradläden und kleine Handwerksbetriebe. Kinder werden in Nachbarschaftsgruppen von Eltern unterrichtet. Wegen Nachwuchsmangel und ausbleibenden Steuerzahlungen haben Polizei und Verwaltung die Zahl der Beschäftigten auf ein Minimum reduziert. Berlin 2050. Ich bin gekommen, um zu bleiben. 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen