Hitze. Lärm. Erschöpfung. Bonetti arbeitete so schnell er
konnte. Er trug die Pakete von der Palette in seinen Lieferwagen. Natürlich
musste er die Reihenfolge der Auslieferung im Kopf haben. Sonst würde er seine
Tour nicht schaffen. Die meisten Kollegen waren schon fertig. Er hörte, wie sie
mit heulendem Motor und quietschenden Reifen die Halle verließen. Schließlich
waren nur noch zwei Lieferwagen übrig: der Neue und er.
„BONETTI“, dröhnte eine Stimme. Wo kam sie her? Er konnte
niemanden sehen. Es schien, als ob der Ruf aus allen Richtungen käme. Oder war
er nur in seinem Kopf?
„BONETTI. Schneller! Du schaffst es nicht.“
Das letzte Paket. Seine Arme taten ihm weh. Sein Mund war
trocken. Mein Gott, was war in diesem Paket? Granit? Er versuchte, es
anzuheben. Aber es war zu schwer.
„BOOONEEETTIII.“
Schweißgebadet wachte er auf. Er hatte wieder von einem
seiner früheren Jobs geträumt. Er öffnete das Fenster und ließ frische Luft
herein. Erschöpft legte er sich wieder ins Bett.
„Wo waren Sie gestern, Bonetti?“
Sein Chef. Er stand vor seinem Schreibtisch. Der Chef sah
wütend aus. Er spielte mit seinem Bleistift, er spielte mit seinen
Angestellten.
„Gestern? Da war Sonntag, Herr Hinkel. Mein freier Tag.“
„Sie haben hier nur einen Zeitvertrag, vergessen Sie das
nicht. Die fünfteilige Artikelserie über den Einfluss der Quantenfeldtheorie
auf die thermonukleare Reaktion in einem Kernfusionsreaktor sollte gestern
fertig sein. Ich erwarte den gesamten Text bis17 Uhr.“
Bonetti sah auf die Uhr. Viertel nach vier und er musste
dringend auf Toilette.
Wieder erwachte er. Zu Tode erschöpft. Sein Therapeut hatte
es ihm erklärt. Posttraumatische Belastungsstörung. Die alten Jobs verfolgten in
seinen Träumen.
Aber auch tagsüber ging es ihm nicht besser. Bei jedem
Einkauf spürte er den bleiernen Druck und die wütenden Blicke der anderen
Kunden, weil er die Waren nicht so schnell in den Wagen packen konnte, wie die
Kassiererin sie einscannte. Obwohl er längst nicht mehr arbeitete, schlang er
seine Mikrowellengerichte so schnell herunter, wie er nur konnte.
BOOONEEETTIII. Diese Stimmen. Es würde niemals aufhören. Oder
sollte er sich eine Pumpgun besorgen?
P.S.: Den Begriff „posttraumatic stress disorder“ (PTSD) hörte
ich zum ersten Mal 1991 in einem Seminar am OSI in Berlin, das von meinem
späteren Doktorvater Ekkehart Krippendorff und einem Drehbuchautor veranstaltet
wurde, der schon mal an einem Hollywoodfilm mitgearbeitet hatte. Bei allen
Sitzungen dieser Lehrveranstaltung mit dem Titel „Krieg im Film“ sahen wir zuerst
einen Film, dann gab es ein kurzes Referat von einem Studenten und anschließend
diskutierten wir. Natürlich war „Apocalypse Now“ dabei und „Die durch die Hölle
gehen“. Ich hatte „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ von
Stanley Kubrick ausgewählt. Aber „Rambo“ mit Stallone passte nicht in die
Reihe. Er spielt gar nicht im Krieg. Der Student erklärte es uns. Rambo hat
PTSD und hat den Krieg in seinem Kopf mit nach Hause genommen. Dennoch wurde
der Film in der Diskussion zerrissen. Stallone hatte mit seiner Rocky-Reihe
längst alle Cineasten enttäuscht – und mit Rambo II (Vietnam) und Rambo III
(Afghanistan) zwei weitere Eigentore geschossen.
Ich würde darüber keine Witze machen.
AntwortenLöschenWaren Sie schon einmal in so einer Situation ?
Wenn alles über einem zusammenschlägt, man am Wochenende keine Ruhe findet und die ganze Zeit sowie auch Nachts über die Probleme bei der Arbeit nachdenkt.
Dann auch wie beschrieben belastende Träume. Sex kann man vergessen.
Als scheinbar einziger Ausweg und natürlich der einfachste Weg der Suff, gleich nach der Arbeit mit dickem Kopf in die Kneipe, 5 Bier 3 Schnaps.
Nach so einem Abend träumt man dann wenigstens auch nicht.
Das ist nicht schön !
Ja, ich war in dieser Situation. Und ich habe exakt den scheinbar einzigen Ausweg genommen. Dann habe ich den Beruf gewechselt. Jetzt geht es mir wesentlich besser, auch wenn ich viel weniger verdiene als damals.
LöschenUnd noch was, Papa Schlumpf: Ich mache hier über alles Witze, wenn mir danach ist.
Das ist auch richtig so!
AntwortenLöschenNa dann können wir uns ja die Hand geben.
AntwortenLöschenAber "Papa Schlumpf"...n´büschn haard, oder ?
nö
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