„Das Alter ist kein Kampf; das Alter ist ein Massaker.“ (Philip Roth: Jedermann)
Jetzt bist Du also auch fünfzig Jahre alt geworden. Dein langes blondes Haar ist an den Schläfen grau geworden und Du betrachtest jeden Morgen verwundert Deinen Ehemann, der vor dem Bett seine Morgengymnastik macht, weil die Altersgebrechen ihre ersten Schatten auf ihn werfen.
Du hast in deinem Kreuzberger Kiez einen ganzen Biergarten angemietet und es wird sicher bis tief in die Nacht hoch hergehen. Ich erinnere mich an andere Feste mit Dir. Deine Hochzeit zum Beispiel, als Du ganz souverän eine halbe Stunde zu spät mit Deiner klapprigen Ente an der Kirche in Petzow vorgefahren bist.
Ich schaue noch ein wenig weiter zurück und denke an unsere Schulzeit, als wir mit meinem Alfa Romeo durch die rheinhessische Nacht gefahren sind und Musik gehört haben. Als wir Partys gefeiert haben oder mit Freunden nach Prag gefahren sind, bevor sich der eiserne Vorhang hob und der Kafka-Themenpark hip wurde.
Als Studenten haben wir in Kreuzberg nächtelang diskutiert und haben in obskuren Kneipen den Sonnenaufgang erlebt. Wir konnten nicht genug von Theater, Kino und Ausstellungen bekommen. Berlin hat uns unaufhörlich den Stoff für neue Gespräche geliefert. Die große Stadt hat uns beide bis zum heutigen Tage nicht mehr losgelassen.
Jetzt hat der Herbst angefangen. Wir sind nicht mehr jung, obwohl wir es gar nicht fassen können. Fünfzig. Aber es ist nicht zu leugnen. Zum Glück dürfen wir nicht klagen. Es geht uns gut, es ist uns immer gut gegangen (über Details gehen wir in gewohnter Großzügigkeit hinweg) und mit ein wenig Glück wird es uns noch eine ganze Weile gut gehen.
Unser Leben, das wir in diesen Tagen führen, könnte nicht unterschiedlicher sein. Auf der einen Seite der Schriftsteller, der weder Beruf noch Familie hat, weder Termine noch Verpflichtungen. Dessen Wecker nicht klingelt, der niemanden zur Schule bringen muss, der nicht ins Büro oder auf Dienstreise muss. Der morgens einfach aufwacht, wann immer es ihm beliebt, und danach macht, wonach ihm gerade ist. Ich lebe wie ein Dieb und fühle mich wie ein Baron.
Auf der anderen Seite die Kulturredakteurin mit vier Kindern, Haus und Garten, Hund – Katze – Mann. Die nebenbei noch Klavier, Cello und Tennis spielt. Die auf Konzerte und in Museen geht, die lange Dienstreisen unternimmt. Die selbst in den zehn Minuten zwischen Zähneputzen und der Abreise ins Schlummerland noch ein paar Seiten in einem aktuellen Roman liest, um auf dem Laufenden zu bleiben. Deren Handy hundertmal am Tag klingelt und die mit tausend Terminen jonglieren muss.
Ständig will jemand etwas von Dir und Du gibst es ihnen. Als wärst Du ein Uhrwerk, das niemals stillstehen darf. Du schaffst das alles mit verblüffender Leichtigkeit und Eleganz. Nie merkt man Dir die Anstrengung an, die dieses Leben kosten muss. Respekt! Ich würde das nicht schaffen.
Ich wünsche Dir das Allerbeste und davon sehr viel. Möge Dein Glas nie leer sein,
Dein E
Dr.Feelgood - She Does It Right. https://www.youtube.com/watch?v=iHm7uIC84YM
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