Donnerstag, 27. Februar 2014
Von Katzen lernen
“It takes a lot of time to be a genius, you have to sit around so much doing nothing, really doing nothing.” (Gertrude Stein)
Die Katze beobachtet etwas im Garten. Ich beobachte die Katze. Du beobachtest mich, wie ich die Katze beobachte.
Nachdem ich diese Sätze aufgeschrieben hatte, sah ich wieder in den Garten hinaus. Nun betrachtete mich die ockerfarbene Katze durch das Fenster. Sie hatte es sich auf dem Dach des Gartenhäuschens bequem gemacht. Wir sahen uns eine Weile in die Augen, dann wandte sie den Kopf ab. Von ihrer Position aus sah sie eine Kollegin mit schwarzem Fell heranpirschen, die wenig später auch für mich sichtbar wurde. Mit gespannter Aufmerksamkeit folgte sie den geschmeidigen Bewegungen der Artgenossin, die sich mit geradezu aufreizender Langsamkeit durch die Szene bewegte und auf der anderen Seite meines Sichtfeldes in Richtung Nachbargarten verschwand. Ich erinnerte mich an einen Tag, als die schwarze Katze bei einer solchen Gelegenheit auf den Brennholzstapel gesprungen war, um ebenfalls auf das Dach zu klettern. Die ockerfarbene Katze kam sofort von ihrem Königssitz auf dem Dachfirst hinüber gelaufen und hatte gefaucht. Die dunkle Kollegin hatte pikiert den Kopf abgewendet und war eine Weile sitzengeblieben, ohne sie zu beachten. Dann war sie wieder auf den Rasen hinabgesprungen, ohne den Eindruck zu erwecken davongejagt worden zu sein. Aber heute passierte nichts dergleichen. Die ockerfarbene Katze, ein wohlgenährtes Tier mit gepflegtem Fell, blieb einfach sitzen. Sie döste zufrieden im milden Sonnenlicht dieses Vormittags.
Wir können noch nicht einmal erahnen, was gerade in ihrem Kopf vorging. Erinnerungen an aufregende Jagderlebnisse oder erhabene Leere? Immer das gleiche ausdruckslose Gesicht, der gleiche entspannte Blick. Nach einer Weile stieg sie vom Dach, markierte unterwegs mit ihrem Kinn einige kleine Äste und spritzte ein paar Tropfen Urin über das Gebüsch. Dann schüttelte sie zufrieden den Kopf und verschwand.
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