Blogstuff 792
„Alle hatten Angst
vor Lücken in ihrem Lebenslauf. Aber niemand schien Angst davor zu haben, seine
Träume zu verraten.“ (Benedict Wels: Spinner)
Ich
finde es lustig, dass die Letzte Generation Berlin lahmlegen will. Das macht
die Stadtverwaltung doch schon seit zwanzig Jahren.
Supermarkt
und Impulskontrolle – mein großes Problem. Vor allem, wenn ich hungrig und ohne
Einkaufszettel unterwegs bin. Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren habe ich
Knoppers zu Hause und warte jetzt jeden Tag auf halb zehn.
Außerdem
habe ich mir eine Flasche Cinzano gekauft. Wann habe ich zuletzt Cinzano
getrunken? Ich erinnere mich nur an einen völlig verregneten Vormittag im Mai
1991 auf einem Campingplatz in Südfrankreich, als ich mit zwei Freunden in
meinem Golf saß. Jeder hatte eine Flasche Cinzano in Arbeit, dazu hörten wir
dröhnend laut Musik und zogen uns damit den Hass der anderen Camper zu, feine
Pinkel mit fetten Wohnmobilen und Surfbrettern. Am Sonntag dann der Senna-Sieg
beim Grand Prix in Monte Carlo.
1887:
Der Berliner Ingenieur Max Sielaff lässt sich den ersten Selbsttätigen
Verkaufsapparat patentieren. Bald darauf stehen 10.000 Automaten in ganz
Deutschland, an den man z.B. Süßigkeiten kaufen kann. 1902 bereist der
Amerikaner Joseph Horn Europa und entdeckt in Berlin das erste
Automatenrestaurant. Begeistert von der Idee, ein Restaurant ohne Kellner
betreiben zu können, eröffnet er mit seinem Partner Frank Hardart ein
Automatenrestaurant in Philadelphia mit Sielaff-Automaten. 1941 gab es bereits
157 Horn & Hardart-Restaurants in den Vereinigten Staaten; allein über
fünfzig in New York, die täglich von 350.000 Kunden besucht wurden. Ein Tasse
Kaffee kostete fünf Cent. Mit dem Aufstieg der Fast-Food-Ketten begann der
Niedergang des Unternehmens, 1991 wurde das letzte Restaurant geschlossen.
Früher
hieß es immer, man solle beim Schreiben als Ort der Handlung eine Stadt nehmen,
die man persönlich kennt. Ein Kölner lässt seine Erzählung in Köln spielen und
nicht in Honolulu, wo er vermutlich noch nie gewesen ist. Heute ist das anders.
Warum sollte ich mir nicht Sandusky, Ohio, aussuchen? Die Basis-Infos bekomme
ich mit einem Mausclick bei Wikipedia, bei Google Maps sehe ich mir Bilder der
Stadt an und kann mir das Interieur und die Speisekarten diverser Restaurants
anschauen, in denen vielleicht eine Szene spielt. Aktuelle News gibt’s auch im
Internet. Ich gratuliere Teresa und Tom Sloma zu ihrem sechzigsten Hochzeitstag,
sie haben drei Kinder und acht Enkel. Für größere Städte gibt es Streetview, so
dass man jedes Gebäude beschreiben könnte. Das gilt auch für Straßen. Ich bin
mal zehn Minuten einer Landstraße in Island gefolgt, weil ich wissen wollte,
wie es dort überhaupt aussieht (öde). Die Menschen in Sandusky leben im Grunde
genommen nicht anders als die Menschen in Gütersloh. Sie gehen morgens zur
Arbeit oder in die Schule, sie fahren mit dem Auto, sie glotzen auf ihr Handy,
sie schauen sich Filme und Serien an. Liebe und Hass, Reichtum und Armut, gute
und schlechte Menschen, Streit und Versöhnung – das alles gibt es dort. Warum
sollte mein nächster Roman nicht in Ohio spielen?
Cinzano. Die Wermuteule vom Bahnhof Zoo. Das waren noch Zeiten...
AntwortenLöschenBtw.: den Zarella kannste dir auch nicht mit Cinzano schön saufen.
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