Sonntag, 26. März 2023

Kapitalismus - ein Teufelskreis

 

Bis vor einem Jahr lebten wir in einer perfekten Welt. Null Inflation, null Zinsen. Geld hat nichts gekostet, alle haben sich für lau verschuldet. Wenn die Droge Geld umsonst ist und noch ein wenig Inflation hinzukommt, habe ich mit Schulden sogar ein gutes Geschäft gemacht. Vorbei. Erst sorgten die hohen Energiepreise für Inflation, dann griff das Fieber der Geldentwertung auf alle Bereiche über. Jetzt haben wir den kalten Drogenentzug, das Geld wird teuer. 3,5 Prozent verlangt die EZB, die FED über fünf Prozent. Das bringt den Staat und die Wirtschaft in die Klemme. Die Staatsschulden sind wie eine gigantische Umwälzpumpe. Ständig werden alte Anleihen fällig, die durch neue Anleihen ersetzt werden müssen. Die neuen Anleihen sind aber teuer. Ein Gedankenspiel: Würden alle aktuellen deutschen Schulden mit 3,5 Prozent verzinst werden, müsste die Regierung 88 Milliarden p.a. zusätzlich aufbringen. Oder die Bauwirtschaft: Wegen steigender Kreditzinsen sinkt die Bautätigkeit. Der Wohnungsbaukonzern Vonovia muss derzeit 5 Prozent Zinsen für Anleihen bezahlen und hat alle neuen Bauprojekte für 2023 auf Eis gelegt. Inflation und Zinsen fressen das billige Geld von damals wieder auf. Das ist ein schmerzhafter Entzug, schon stellen die Notenbanken den Junkies wieder „Liquiditätshilfen“ und im Fall der Credit Suisse hohe Bürgschaften zur Verfügung.

Berlin 2050

 

Berlin hat endlich wieder ein Tacheles. Das erste stand in der Oranienburgerstraße, Ecke Friedrichstraße und war ein ehemaliges Kaufhaus. Das neue Tacheles ist auch ein ehemaliges Kaufhaus. Im KaDeWe haben jetzt Künstler ihre Ateliers eingerichtet. Tag und Nacht schlendern hunderte junge Leute durch die Stockwerke, sehen sich Skulpturen, Videos und Bilder an, diskutieren, lachen und trinken Rotwein.

Die Generation Z hat es mit Arbeitsverweigerung, Quiet Quitting und Ablehnung von Karriere und Konsum vorgemacht. Die Generation A hat diesen Trend fortgesetzt und setzt ausschließlich auf Basic Needs. Einfache Mahlzeiten ohne Fleisch, Leitungswasser und ein Zimmer pro Person. Die Alten haben die Innenstadt verlassen, die Unternehmen haben aufgegeben oder ihre Produktion nach Asien verlagert. Arbeitskräftemangel und fehlende Innovationen haben zu einer Deindustrialisierung der deutschen Hauptstadt geführt.

Von Brandenburger Bauern kaufen sie Getreide und backen ihr Brot selbst. Butter, Obst und Gemüse kommt ebenfalls aus dem Umland. Berlin ist Avocado-frei. Es leben nur noch zwei Millionen Menschen in der Stadt. Die Mieten sind spottbillig, es gibt viel Leerstand und hunderte besetzte Häuser. Armut ist der Alltag. Die Reichen leben in ihren Villen im Grunewald oder sind nach Baden-Baden gezogen. Der Bundestag ist wieder in Bonn. Es ist wie damals in West-Berlin. Wer keinen Bock auf Kapitalismus hat, kommt in diese Stadt.

Es gibt überall wieder jede Menge Lofts für Künstler aus aller Welt. Die Industriebrachen ziehen Musiker und Maler, Dichter und Denker an. In den leerstehenden Filialen von Deichmann und McDonald’s sind jetzt Off-Theater und Kaffeehäuser, Bars und Clubs, Fahrradläden und kleine Handwerksbetriebe. Kinder werden in Nachbarschaftsgruppen von Eltern unterrichtet. Wegen Nachwuchsmangel und ausbleibenden Steuerzahlungen haben Polizei und Verwaltung die Zahl der Beschäftigten auf ein Minimum reduziert. Berlin 2050. Ich bin gekommen, um zu bleiben. 

 

Samstag, 25. März 2023

Rudi’s Reste Reime – Färse für Fortgeschrittene

 


Auf der Lebens Autobahn

Stehst du öfter mal im Stau

Später rast du wie im Wahn

Fährst wie ’ne gesengte Sau

 

Durch die Täler, über Berge

Viele tausend Kilometer

Fürchtest Riesen, ärgerst Zwerge

Mal zufrieden, mal Gezeter

 

Auf die Nächte folgen Tage

Unerbittlich naht das Ziel

Deiner Reise, keine Frage

Exitus im schönen Kiel

Fragment 3/23

 

Der dichte Nebel verlieh der trostlosen nassgrauen Landschaft ein unheilvolles Aussehen. Wir bogen mit unserem Land Rover von der Landstraße auf einen Kiesweg ab, der uns wenige Minuten später zu einem düsteren Anwesen führte. Als wir näherkamen, stellten wir fest, dass es sich um eine Ruine handelte. Wir gingen um das riesige Haus herum. Auf einer Wiese entdeckten wir einen schäbigen Wohnwagen mit platten Reifen. Ich klopfte an die Tür. Ein Riese in einem knallroten adidas-Trainingsanzug und rosa Plüschpantoffeln mit Hasengesichtern öffnete mir und sah mich fragend an.

„Rockwell City Limits Department of Future Crime”, stellte ich mich vor.

„Was?”

„Die Polizei, Sir. Wir hätten da ein paar Fragen.“

„Ich habe nichts gemacht.“

„Noch nicht, Mister Bonetti, noch nicht.“

(Fragment. Der zwölfstündige Director’s Cut läuft am 1. April auf Arte)

Freitag, 24. März 2023

„Voraussichtlicher Beginn einer Befreiung: ca. 30 Minuten nach Eingang des Notrufes“

 

Eines Tages musste es ja passieren. Ich bin 56 Jahre alt und wohne seit über dreißig Jahren in diesem Haus.

Sonntagmorgen, 7:15 Uhr. Ich steige in den Fahrstuhl. Nach zwanzig Zentimetern ist die Reise zu Ende. Die Tür lässt sich nicht mehr öffnen, ich stecke fest. Was tun? Knöpfe drücken, an der Tür rütteln. Dann der Alarmknopf, den sonst nur Kinder drücken. Die Stimme einer Frau. Ich gebe die Adresse durch. In etwa dreißig Minuten darf ich mit meiner „Befreiung“ rechnen. Eigentlich wollte ich nur zur Bäckerei gegenüber. Bin barfuß in die Hausschuhe gesprungen und habe mir eine Regenjacke übergeworfen.

Nun stehe ich auf einem guten Quadratmeter Aufzugsboden aus der Kaiserzeit und habe zum ersten Mal die Gelegenheit, mir die Kabine genau anzuschauen. Flecken, Kratzer, die Paragraphen der Bedienungsanleitung. Tatsächlich auch zwei geritzte Graffiti links und rechts. Dollarzeichen. Kapitalismuskritik oder Verherrlichung des Neoliberalismus? In Wilmersdorf ist das nicht so klar.

Nach einer Stunde meldet sich die Frau von der Notrufzentrale wieder. Sie möchte wissen, wie es mir geht. Es ginge mir besser, wenn ich schon meine Frühstücksbrötchen hätte. „Verkehrsbedingt“ verzögere sich die Hilfe. In Berlin gibt es sonntagmorgens keinen Verkehr. Ich setze mich auf den Boden. Man kann hier noch nicht mal die Beine ausstrecken. Stille. Ich höre niemanden im Treppenhaus.

Eine halbe Stunde später erscheint der Mechaniker. Durch die geschlossene Tür teilt er mir mit, dass er selbige nicht öffnen könne. Aber im Keller sei eine Handkurbel. So komme ich nach eineinhalb Stunden doch noch frei, um meinen Weg zur holden Bäckerin fortzusetzen. Ich erzähle ihr von meinem Erlebnis. Sie fragt, ob ich Angst gehabt hätte. Ja. Mein größter Horror: Auf’s Klo müssen. Ich hatte noch nicht mal Taschentücher dabei. Was ich die ganze Zeit gemacht habe, möchte sie wissen. Hätte ich doch nur ein Smartphone, aber selbst mein altes Nokia habe ich zuhause gelassen. Sie versichert mir, sie hätte einen Herzinfarkt bekommen. Aber ich bekomme immerhin ein Croissant, ein halbes Brötchen mit Rührei und ein halbes Brötchen mit Lachs.

Auf dem Rückweg nehme ich die Treppe.

P.S.: Am 1. März hatte ich mir mal wieder das I Ging gelegt. Dort stand in der Interpretation des Zeichens folgendes: „Oben eine Sechs bedeutet: Mit Stricken und Tauen gebunden, eingeschlossen zwischen dornenumhegten Kerkermauern; drei Jahre findet man sich nicht zurecht. Unheil!“ Jetzt weiß ich, was gemeint war.

 

Donnerstag, 23. März 2023

Eine Frage der Haltung

 

Pazifismus lässt sich eigentlich sehr einfach definieren: Als Pazifist lehne ich jede Form von Gewalt zur Durchsetzung von Interessen ab und bin gegen den Krieg als Mittel der Politik. 1984 habe ich den Kriegsdienst verweigert und dem Kreiswehrersatzamt meine schriftliche Begründung geschickt. Was mir als persönliche Haltung seit frühester Jugend klar gewesen war, hatte ich zum ersten Mal systematisch in Schriftform dargelegt.

In meiner Familie hatte es etliche Tote im Zweiten Weltkrieg gegeben, die Familie meiner Mutter verlor ihre schlesische Heimat und der Atomkrieg zwischen den USA und der Sowjetunion schwebte damals wie ein Damoklesschwert über uns allen. Ich war selbstverständlich ebenso gegen den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan 1979 wie gegen den Einmarsch der US-Truppen in Grenada und Panama in den achtziger Jahren. Ich verurteilte Saddam Husseins Angriffskriege gegen den Iran und Kuwait ebenso wie die amerikanischen Angriffskriege gegen Afghanistan und den Irak. Serbiens Kriege gegen Kroatien und Bosnien-Herzegowina fanden ebenso meine Ablehnung wie das NATO-Bombardement Serbiens.

Genauso klar war meine Haltung jedoch auch bezüglich des Widerstands gegen Aggressoren. Ob es die französische Resistance oder die Partisanen auf dem Balkan, ob es die Mudschaheddin oder die Kurden waren, alle hatten und haben das Recht, sich zu wehren. Niemand soll sich widerstandslos in die Sklaverei oder zur Schlachtbank führen lassen. Auch das gehört zum Pazifismus dazu: das Recht, für seine Freiheit oder um sein Leben zu kämpfen, wenn er angegriffen wird.

Man kann also nicht gleichzeitig Pazifist und Putinist sein. Pazifisten lehnen den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ab. Entweder man steht zu dieser Haltung oder man ist Bellizist. Da helfen auch keine windschiefen rhetorischen Konstruktionen und Wortklaubereien. Wer den Krieg und seinen Verursacher verherrlicht, hat von Frieden und Ethik zu schweigen. Und wer einen russischen Massenmord mit einem amerikanischen Massenmord rechtfertigt, verdient unser aller Mitleid.

 

Mittwoch, 22. März 2023

Andy Bonetti, Fackelträger in der Finsternis des Unwissens

 

Blogstuff 775

„Sahra Wagenknecht ist die nationalste Versuchung, seit es Sozialismus gibt.“ (Jürgen Elsässer)

Kennen Sie Josha Vagnoman, Malick Thiaw, Mergim Berisha, Felix Nmecha und Kevin Schade? Ich auch nicht. Freuen wir uns auf die Fußball-EM im nächsten Jahr.

Die Grünen fordern jetzt „Meshing“, die Verschmelzung der Nachnamen nach der Hochzeit. Wenn also Melody Krasupke und Hinnerk Wallmann heiraten, gibt es ... na? 

Warum heißt es Veganer und nicht Dinkelnazi?

Die Geschirrspülmaschine ist eine der wichtigsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte. Als Student habe ich meiner Mutter immer das schmutzige Geschirr in einem Paket zugeschickt und einige Tage später habe ich es sauber zurückbekommen. Das glaubt einem heute kein Mensch mehr.

Ich schreibe auf liniertem Papier, aber ich halte mich nicht an die Linien. So ein Typ bin ich!

An einer Laterne: „Melde dich endlich, Bonetti. Du wirst Vater!“

Wie nennt man eine Ehe nach der silbernen Hochzeit? Ruhender Verkehr.

Mao: Die Macht kommt aus den Gewehrläufen. Bonetti: Die Macht kommt aus den Brieftaschen.

Früher hatten viele Leute eine „politische Heimat“. Heute haben die Obdachlosen die Mehrheit.

Das Investigativ-Team von Bonetti Media hat einige Kiezschreiber-Posts mit GPS-Sendern ausgestattet und herausgefunden, dass sie in Suaheli und Urdu übersetzt werden, um in ausländischen Blogs veröffentlicht zu werden.

Vorschlag-Hammer.

Grönland-Kutteln Thai Style.

In meiner Jugend hieß Schweißgeruch noch Achselherbert.

2008: Russische Invasionstruppen marschieren in Georgien ein und besetzen zwanzig Prozent des Staatsgebiets – bis heute. Hätte man damals schon helfen sollen? Mehr als drei Viertel der Bevölkerung sind heute für eine Mitgliedschaft Georgiens in der EU und in der NATO. Russland verhindert den Beitritt.

Wenn die Außerirdischen kommen, müssen sie nur sämtliche Bankguthaben löschen und das gesamte Bargeld vernichten. Die Gesellschaft würde zusammenbrechen, ohne dass man einen Schuss abgeben müsste.