Donnerstag, 27. Februar 2014

Von Katzen lernen

“It takes a lot of time to be a genius, you have to sit around so much doing nothing, really doing nothing.” (Gertrude Stein)
Die Katze beobachtet etwas im Garten. Ich beobachte die Katze. Du beobachtest mich, wie ich die Katze beobachte.
Nachdem ich diese Sätze aufgeschrieben hatte, sah ich wieder in den Garten hinaus. Nun betrachtete mich die ockerfarbene Katze durch das Fenster. Sie hatte es sich auf dem Dach des Gartenhäuschens bequem gemacht. Wir sahen uns eine Weile in die Augen, dann wandte sie den Kopf ab. Von ihrer Position aus sah sie eine Kollegin mit schwarzem Fell heranpirschen, die wenig später auch für mich sichtbar wurde. Mit gespannter Aufmerksamkeit folgte sie den geschmeidigen Bewegungen der Artgenossin, die sich mit geradezu aufreizender Langsamkeit durch die Szene bewegte und auf der anderen Seite meines Sichtfeldes in Richtung Nachbargarten verschwand. Ich erinnerte mich an einen Tag, als die schwarze Katze bei einer solchen Gelegenheit auf den Brennholzstapel gesprungen war, um ebenfalls auf das Dach zu klettern. Die ockerfarbene Katze kam sofort von ihrem Königssitz auf dem Dachfirst hinüber gelaufen und hatte gefaucht. Die dunkle Kollegin hatte pikiert den Kopf abgewendet und war eine Weile sitzengeblieben, ohne sie zu beachten. Dann war sie wieder auf den Rasen hinabgesprungen, ohne den Eindruck zu erwecken davongejagt worden zu sein. Aber heute passierte nichts dergleichen. Die ockerfarbene Katze, ein wohlgenährtes Tier mit gepflegtem Fell, blieb einfach sitzen. Sie döste zufrieden im milden Sonnenlicht dieses Vormittags.
Wir können noch nicht einmal erahnen, was gerade in ihrem Kopf vorging. Erinnerungen an aufregende Jagderlebnisse oder erhabene Leere? Immer das gleiche ausdruckslose Gesicht, der gleiche entspannte Blick. Nach einer Weile stieg sie vom Dach, markierte unterwegs mit ihrem Kinn einige kleine Äste und spritzte ein paar Tropfen Urin über das Gebüsch. Dann schüttelte sie zufrieden den Kopf und verschwand.

Donnerstag, 20. Februar 2014

Der Fall Edathy im Lektorat

Als Autor von Kriminalromanen sieht man den Fall Edathy natürlich noch einmal aus ganz anderer Sicht. Ich habe darüber nachgedacht, was mir wohl die Lektorate geschrieben hätten, wenn ich diesen Stoff als Manuskript bei einem Verlag eingereicht hätte. Positiv hätte der Lektor sicher die Tatsache gesehen, dass der Hauptverdächtige im Ausland untertaucht ist und nur noch über seinen Anwalt und ausgewählte Journalisten (Spiegel, Süddeutsche Zeitung) den Fortgang der Handlung kommentiert bzw. beeinflusst (Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die ermittelnde Staatsanwaltschaft, Urteile zur Verhältnismäßigkeit und Rechtmäßigkeit der polizeilichen Ermittlungen). Schön ist auch, dass die Geheimdienste involviert sind. Edathy hat sich als Politiker mit dem faschistischen Mordtrio namens NSU und ihrer Verbindung zum deutschen Verfassungsschutz befasst, er hat sich mit den deutschen Geheimdiensten und dem BKA angelegt, außerdem hat die kanadische Polizei mit Undercover-Ermittlern den Fall mit Edathys Bestellungen von „Material“ (wie Edathy es nennt) oder „Wichsvorlagen“ (wie andere es nennen) erst ins Rollen gebracht. Außerdem stecken die Amis und Interpol mit drin. Ganz großes Tennis! Daraus kann man für den Leser schöne Gedankenspiele entwickeln: Ist Edathy Opfer der Geheimdienste geworden? Ist er in Wirklichkeit entführt worden und wird gerade von der CIA gefoltert? Ist es wirklich Edathy, der per Handy Interviews für die SPD-nahe Presse und Anweisungen an seinen Rechtsanwalt gibt? Wo ist er gerade? Überall und nirgends wie Kapitän Nemo von der Nautilus oder der nicht minder berühmte Fantomas … Auch der geschmeidig klingende Name Sebastian Edathy hätte dem Lektor gefallen. Sein eigentlicher Geburtsname Sebastian Edathiparambil wäre gestrichen worden. Zu kompliziert, das mag der Leser nicht – man denke nur mal an Apu Nahasapeemapetilon, den Ladenbesitzer bei den Simpsons. Ich musste mal aus „Gründen der Lesbarkeit“ den Namen einer Hauptfigur von Maritima Eternity Wurstwasser zu Julia Sommer ändern, kein Witz!
Negativ hätte der Lektor sicher einige unglaubwürdige Elemente der Story gesehen und zur Überarbeitung vorgeschlagen. Beginnen wir mal mit den vernichteten Beweisen in den Büros von Edathy: Der Mann hat von Oktober 2013 bis Februar 2014 geschlagene vier Monate Zeit, um in aller Ruhe die Beweise zu vernichten. Und dann findet die Spurensicherung noch Splitter einer zerstörten Festplatte. Außerdem waren im Staub auf den Schreibtischen noch die Umrisse der entfernten Computer zu sehen und die Kabel hingen aus der Wand. Man darf ja wohl vom Hauptverdächtigen erwarten, dass er mit Staubsauger und Staubtuch sämtliche Spuren entfernt und sicherheitshalber auch den Staubsaugerbeutel entsorgt, weil der nämlich auch untersucht werden wird. Sieht der Mann nicht sonntags „Tatort“? Ein zweiter wichtiger Punkt ist der Anwalt, den Edathy eingeschaltet hat. Wie blöd kann man sein und jemanden zur Staatsanwaltschaft schicken, um nach dem Stand der Ermittlungen gegen sich zu fragen, wenn man doch angeblich nichts weiß und unschuldig ist? Unlogisch! Gestrichen. Dann der Diebstahl seines Dienstcomputers auf einer Zugfahrt nach Amsterdam: Wieso meldet er ihn erst zwei Wochen später per Fax aus dem Ausland? Was macht jemand, der offiziell krankgeschrieben ist und nicht an seinem Arbeitsplatz erscheinen kann, auf Auslandsreise? Wieso kommt jetzt Amsterdam ins Spiel, würde der Lektor fragen. Welche Motivation hat ihre Figur, würde er mich fragen. Auch der Brief der Staatsanwaltschaft an den Bundestagspräsidenten zwecks Aufhebung der Immunität Edathys wäre ihm ins Auge gefallen. Sechs Tage unterwegs, zwei unterschiedliche Marken auf dem Umschlag und dann auch noch geöffnet. Wo doch schon zu Agatha Christies Zeiten sämtliche für die Krimihandlung relevante Post unter Wasserdampf geöffnet und danach wieder sorgsam verschlossen wird – natürlich ohne Fingerabdrücke zu hinterlassen. Zu guter Letzt das Telefonat von SPD-Fraktionschef Oppermann und seinem Parteigenossen Ziercke vom BKA: Sowas wird im Verborgenen gemacht, das erfährt höchstens der Leser aus dramaturgischen Gründen, aber doch nicht die gesamte Weltöffentlichkeit per Presseerklärung! Und dann rudern die beiden Männer noch zurück, angeblich sei bei diesem Gespräch gar nicht geredet worden, sondern man habe das Schweigen bzw. das wortlose Atmen in den Telefonhörer wechselseitig interpretiert. Ich bitte Sie, Herr Eberling, hätte der Lektor gesagt. Also an die Stelle im Text müssen Sie nochmal ran.

Samstag, 15. Februar 2014

Kinderfickerpartei SPD

Im Hochsicherheitstrakt jedes Gefängnisses auf dieser Welt gelten die Kindermörder und Kinderschänder selbst unter den Schwerverbrechern noch als Abschaum. Sie sind das allerletzte in jedem Knast, mit ihnen will kein Serienkiller oder Bankräuber etwas zu tun haben. Diese Moral, die selbst noch Kriminelle besitzen, vermisse ich bei der großen Koalition der Kanzlerin Merkel. Die erste Großtat des aktuellen Regierungsbündnisses war es offenbar, einem Päderasten aus ihrem inneren Zirkel den geordneten Rückzug zu ermöglichen. Edathy konnte im Ausland untertauchen und wird womöglich niemals vor Gericht gestellt werden. Wen soll man von diesem verlogenen Rattenpack noch wählen? Warum in diesem Drecksstaat noch arbeiten und Steuern zahlen? Wieso noch über Berlusconi oder afrikanische Despoten lachen? Wem kann man noch trauen?
Ich hoffe ja, dass sämtliche Mails und Telefonate von Edathy, Oppermann und dem BKA-Chef (selbst SPD-Parteigenosse) usw. von der NSA gesichert und auch hierzulande vorhanden sind und zu einer lückenlosen Aufklärung der Vorgänge beitragen werden. Endlich wird mir der Überwachungsstaat sympathisch ...

Donnerstag, 13. Februar 2014

S(teuerhinterzieher) P(äderasten) D(enunzianten)

Große Koalitionen sind nicht gut für die Demokratie. Offensichtlich zerstört die damit verbundene Machtfülle den letzten Rest von Anstand und Moral, den Politiker von SPD und CDU/CSU noch besessen haben mochten. Letzte Woche war es der Berliner Staatssekretär André Schmitz (SPD), der trotz Steuerhinterziehung noch zwei Jahre im Amt geblieben ist. Mit Wissen und Rückendeckung des Regierenden Bürgermeisters Wowereit (SPD) und einiger Senatoren. Auf die Idee zurückzutreten kam Schmitz nicht. Auf die Idee, ihn zu entlassen, kam wiederum sein Chef nicht. Erst als die Straftat publik wurde, zog Schmitz die Notbremse und Wowereit versteckte sich in der öffentlichen und parlamentarischen Debatte hinter juristischen Spiegelfechtereien. Kein Wort der Entschuldigung für ein schwerwiegendes politisches Fehlverhalten. Soviel zur großen Koalition im Berliner Senat. In der Berliner Bundesregierung finden wir einen ähnlich gelagerten Fall.
Im Oktober 2013 beginnen die Verhandlungen zur Koalition von SPD und CDU/CSU. Als Zeichen der Freundschaft und als Morgengabe des noch amtierenden Innenministers Friedrich (CSU) wird der niedersächsischen SPD (namentlich ihrer Führungsspitze: Gabriel, Steinmeier, Oppermann) mitgeteilt, ein prominentes Mitglied ihrer Seilschaft, Sebastian Edathy, habe ein Ermittlungsverfahren wegen seiner pädophilen Neigung zu erwarten. Die Parteifreunde warnen natürlich ihren Genossen, der im November einen Anwalt einschaltet, der in seinem Auftrag bei diversen Staatsanwaltschaften nachfragen lässt, ob gegen ihn ermittelt wird. Im Januar entlässt er seine Mitarbeiter und meldet sich krank (laut seinem Facebook-Account ist er bis 28.2. krankgeschrieben), im Februar zerstört er die Beweise (Kinderpornographie) und setzt sich ins Ausland ab (denn bei der Bestellung und Bezahlung der Pornofilme hat er eine Datenspur hinterlassen wie ein Sattelschlepper). Als die Staatsanwaltschaft endlich seine Büroräume durchsuchen kann, findet sie nur zerstörte Festplatten. Er verschwindet hinter einem Nebel öffentlich verbreiteter Verschwörungstheorien und Verharmlosungen. Soviel Verständnis für einen offensichtlich pädophilen Spitzenpolitiker hätte ich mir auch für die zahllosen kleinen Kinder gewünscht, deren Leben von Pornoproduzenten und Zuhältern zerstört wurden und noch immer werden, um die Nachfrage perverser Päderasten in aller Welt zu befriedigen. Wahrscheinlich sitzt Edathy gerade auf Steuerzahlers Kosten in einem dänischen Fünf-Sterne-Hotel und lacht Tränen über die Blödheit seiner Wähler, während ihm ein Erstklässler den Schwanz lutscht.
Dieser Skandal und diese Verkommenheit der politischen Elite übertrifft sämtliche Steuerhinterziehungen und gefälschten Doktorarbeiten der vergangenen Jahre. Warum hat Parteichef Gabriel den Genossen Edathy nicht einfach aus Fraktion und Partei geschmissen, als er im Herbst von dessen perversen Neigungen und den entsprechenden Ermittlungen erfahren hat? Letzte Woche habe ich noch einen SPD-Politiker gelobt. Das war ein Fehler. Wir können diesen Menschen nicht trauen.

Aus dunkler Zeit

Es war eine alte Idee, die schon seit Jahren in mir schlummerte: einmal im Leben in Uhlerborn aussteigen. Ich bin schon oft mit dem Zug nach Mainz gefahren, doch ich bin nie in diesem kleinen Ort zwischen Ingelheim und den Mainzer Vororten gewesen. Ich habe auch noch nie einen Menschen gesehen, der dort ein- oder ausgestiegen wäre. Aber an jenem Januarnachmittag hatte ich Zeit. Erst am Abend war ich in einem Brauhaus auf der anderen Rheinseite, in Mainz-Kastel, verabredet, also beschloss ich, in Uhlerborn den fast menschenleeren Regionalzug zu verlassen. Als ich die Metallstufen hinabstieg und auf dem Kopfsteinpflaster des Bahnsteigs stand, setzte sich der Zug wieder in Bewegung. Es gab noch nicht einmal ein Bahnhofsgebäude, nur ein alter verlassener Schuppen träumte in der Wintersonne lautlos vor sich hin. Ich drehte mich um und sah eine moosbewachsene Steinbrücke, die über einen Bach in den Ort zu führen schien. Nachdem ich die Brücke überquert hatte, sah ich die ersten Häuser des Dorfs. Sie waren aus rohen Bruchsteinen zusammengefügt und hatten nur ein oder zwei Stockwerke. Ich ging weiter die Straße entlang. Niemand war zu sehen. Auch in den Fenstern sah man keinen Menschen, man hörte keine Stimmen und kein Kindergeschrei. Einfach nichts. Ich ging weiter, bis ich zur Kirche des Dorfes kam. Da ich nichts zu tun hatte, stieg ich die Stufen zum Portal hinauf und drückte die Klinke nieder. Die Tür war offen und ich ging hinein. In der Kirche war es finster, die leeren Bänke wirkten unheimlich und der Altar auf der anderen Seite des ausgedehnten Raums war nicht zu erkennen. Ich ging nach links und sah eine Treppe. Neugierig ging ich die Stufen hinauf und war bald auf dem Kirchturm. Von hier aus konnte man den ganzen Ort überblicken. Vom Platz vor der Kirche gingen vier Straßen in alle Himmelsrichtungen, doch so sehr ich auch den Kopf drehte, nirgends war ein Mensch zu sehen. Der ganze Ort schien verlassen zu sein. Nach einer Weile stieg ich wieder vom Turm hinab und setzte mich für einen Augenblick auf eine der hinteren Bänke. Ich musste eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte und die Kirche verließ, war es stockdunkel. Ich ging die Straßen entlang, aber nirgendwo war ein Licht zu sehen. Ich wollte zur Haltestelle des Regionalzugs zurück, aber ich wusste den Weg nicht mehr. Da sah ich in einer Lücke zwischen zwei Fachwerkhäusern ein Licht brennen. Ich ging darauf zu und bald stand ich vor einem Haus, dessen Fenster im Erdgeschoss erleuchtet waren. Vorsichtig schaute ich hinein. Es war ein Gasthaus. Hinter der Theke stand ein breitschultriger Mann mit rotem Vollbart und zapfte Bier in bauchige Gläser. An den Tischen saßen Männer beisammen, die Bier tranken und Bratenfleisch von dampfenden Tellern aßen. Zwei Männer nah beim Fenster unterhielten sich und plötzlich lachte der eine. Er schlug mit der Faust auf den Tisch und da erkannte ich ihn. Ich erkannte das Lachen, die Körperhaltung, das Haar, ja selbst sein Hemd kannte ich gut. Aber sein Gesicht war völlig verändert. Hatte er es operieren lassen? Ich war mir sicher, ihn schon in meiner Schulzeit gekannt zu haben. Da drehte er den Kopf zum Fenster und sah mich an. Schnell zog ich den Kopf zurück und drehte mich um. Ich sah die Brücke und ging zurück zum Bahnsteig. Bald darauf kam ein Zug, doch er hielt nicht an. Auch der nächste Zug fuhr vorüber. Wehe mir, dachte ich. Einmal in Uhlerborn ausgestiegen und du findest den Weg nicht mehr zurück in deine Welt.

Donnerstag, 6. Februar 2014

Unser Bester in Berlin

Michael Hartmann ist einer der wenigen Politiker, die mir sympathisch sind. Dafür gibt es drei Gründe. Erstens ist er aus Wackernheim und ich bin aus Ingelheim. Die beiden Nachbargemeinden verstehen sich so prächtig, dass sie demnächst sogar fusionieren werden (und in ihrem grenzenlosen Großmut sogar das bettelarme Heidesheim mit ins Boot nehmen), und ich habe in beiden Ortschaften gute Freunde. Zweitens hat er mir beim Tasso (Wirt einer ehemaligen griechischen Kneipe in Wackernheim) einen Ouzo ausgegeben, als er 2002 zum ersten Mal in den Bundestag gewählt wurde. Drittens beweist er in der NSA-Staatsaffäre Tapferkeit und Sportsgeist. Er senkt nicht demütig das Haupt wie die mutlosen Untertanen, von denen er in der Hauptstadt umgeben ist. Devote und servile Parteigespenster wie Merkel, Pofalla oder Friedrich vertreten im Zweifelsfalle nicht die deutschen Interessen – Michael Hartmann tut es. Er legt sich für seine Arbeitgeber ins Zeug. Und es sind immerhin achtzig Millionen Chefs, von denen er jeden Monat seinen Lohn bezieht. "Wer uns ausspäht, muss damit rechnen, dass er seinerseits ebenfalls Zielobjekt wird", sagte er der "Rheinischen Post". Wenn die Amerikaner uns ausspionieren, spionieren wir eben auch die Amerikaner aus. Wenn die Amerikaner foul spielen und kein Schiedsrichter pfeift, wird zurückgetreten. Und neue Aufträge gibt’s für diese Spitzbuben auch keine mehr. Ganz einfach! Selbständig denken, selbständig handeln, das sagt uns der gesunde Menschenverstand. Diese Einstellung zum Beruf und dieses Selbstbewusstsein wünsche ich mir von allen Volksvertretern, die ich mit jedem Mettbrötchen, das ich esse, und mit jedem Schoppen, den ich trinke, finanziere. Nicht nur in Berlin.

Sonntag, 2. Februar 2014

Der Politiker als Bauherrenmensch

Warum scheitern Politiker immer wieder an Bauvorhaben? Zum einen, weil ihnen schlicht und ergreifend die fachliche Ausbildung und berufliche Erfahrung auf diesem Gebiet fehlt. Zum anderen, weil Bauen einfacher aussieht als es in Wirklichkeit ist. Es wird von Politikern, deren einzige Kompetenz im Halten großer Reden und Abhalten langwieriger Sitzungen liegt, systematisch unterschätzt. Die Liste der gescheiterten Politiker ist lang. Aktuell versagen in einer großen Koalition Klaus Wowereit (SPD) am Flughafenneubau und Carsten Spallek (CDU) an der Bebauung des Mauerparks mit der politikertypischen Mischung aus Dilettantismus und Größenwahn und ruinieren sich ihre Parteikarrieren. Sie waren nicht die ersten und werden nicht die letzten sein. Ich erinnere mich an ein Expertenhearing im Bundestag, zu dem ich mit anderen Kollegen vom damals neuen Bundesbauminister Reinhard Klimmt (SPD) eingeladen worden war. Als es in seiner Eröffnungsrede um seine persönliche Kompetenz auf diesem Gebiet ging, prahlte er tatsächlich damit, er hätte beim Bau seines eigenen Hauses gelegentlich mitgeholfen. Was haben wir gelacht. Ältere Kollegen ließen den Kopf stumm auf ihre Arme sinken, die sie auf den Konferenztisch gelegt hatten. Es war so peinlich, dass sie gar nicht mehr hinschauen wollten. Klimmt war auch nicht lang Bauminister, nur ein Jahr später wurde er durch den nächsten fachfremden Politclown ersetzt.
Mein Großvater war Mauer, mein Vater war Architekt und ich habe als Stadtforscher gearbeitet. Das in drei Generationen gesammelte Wissen meiner Familie lässt sich in drei Worten zusammenfassen, die mein alter Herr gerne bei einem guten Glas Wein zum Besten gibt: „Bauen ist Glückssache“. Wowereit und Spallek, aber auch Gaebler und Gothe hatten eben Pech. Mitleid haben sie nicht verdient. Hätten sie rechtzeitig auf die Experten und die Bürger gehört, wären ihre Karrierechancen noch intakt. Gerade im Fall des Mauerparks muss man das Scheitern als Chance begreifen. Spalleks Betonpläne zerschellen gerade am wachsenden Widerstand der Bürger. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, dass der Mauerpark noch bebaut wird. Man müsste dieses Bauvorhaben mit massiver Gewalt durchsetzen. Diese Provokation wird man nicht wagen. Und auch das Tempelhofer Feld wird von selbstbewussten Bürgern verteidigt werden, sonst droht den Politikern, die so gerne Bauherren spielen, das nächste Waterloo.

Samstag, 1. Februar 2014

Macht und Moral

Zu den großen Illusionen der Politik gehört es, dass es um Gerechtigkeit oder Freundschaft, um Gut und Böse ginge. Das sind nur abstrakte Begriffe aus der Sprachwelt der Märchenbücher und Erbauungspredigten. In der Politik geht es um Macht, so wie es in der Wirtschaft um Profit geht. Politiker sind keine Märchenerzähler oder Prediger – auch wenn sie in diesen Rollen oft sehr erfolgreich vor ihrem Publikum auftreten -, sondern Machtmenschen. Und gerade in der internationalen Politik wird der Konkurrenzkampf um die Macht noch unverschleiert praktiziert. Es gibt etwa zweihundert Länder auf dieser Erde und jedes will stärker sein als die anderen. Und so hat sich im Laufe der Geschichte eine Hierarchie der Starken und Schwachen herausgebildet, die sich durch bloßen Appelle an die Moral nicht verändern lässt. Es ist wie auf dem Pausenhof einer Schule, wo es den muskulösen Schläger gibt, der die Kleinen nach Belieben herumschubsen kann. Nun kann man als kleiner Bub versuchen, an die Barmherzigkeit des Schlägers zu appellieren: „Hör auf! Lass mich in Ruhe!“ Oder man kann mit höheren Instanzen drohen: „Hör jetzt auf oder ich sag’s dem Lehrer!“ Oder man droht mit seinen Eltern. In der internationalen Politik gibt es aber keine höheren Instanzen, die Vereinten Nationen oder die Genfer Konvention sind nur zahnlose Papiertiger, die im Kampf um die Durchsetzung nationaler Interessen eine vernachlässigbare Größe darstellen.
Die Hierarchie sieht im 21. Jahrhundert ganz einfach aus: Amerika ist die Nummer eins. Über den Vereinigten Staaten kommt nur noch Gott und der mischt sich bekanntlich nicht ein oder ist womöglich auch gar nicht vorhanden. Die USA können in fast jedes Land der Erde mit ihren Truppen einmarschieren und jede internationale Vereinbarung wie beispielsweise das Kyoto-Protokoll einfach ignorieren. Dann kommen Russland und China, danach Großbritannien und Frankreich. Es ist sicherlich kein Zufall, dass sich diese fünf Staaten auch im Weltsicherheitsrat wiederfinden lassen. Deutschland ist eine Mittelmacht mit regional begrenztem Einfluss wie etwa Brasilien oder Indien. Daher zeugt es von großer Naivität und begrenzter Professionalität, wenn die deutsche Regierung in Sachen NSA-Spionage jetzt eine Entschuldigung von der US-Regierung erwartet oder sogar glaubt, die Spionagetätigkeit in Deutschland könne auf dem Verhandlungsweg eingestellt werden. Warum sollten sich die Amerikaner entschuldigen? Würden sich die Russen oder die Chinesen entschuldigen? Der Starke muss sich vor dem Schwachen nicht rechtfertigen. Er muss auch keinen freiwilligen Machtverzicht üben, denn das würden ihm die anderen als Schwäche auslegen. Wir sind doch nicht bei Grimms Märchen oder einem Kirchentag. Die Bundesrepublik hat ihre Rolle in der internationalen Hierarchie zu akzeptieren. Auf dem Schulhof geht man den Schlägern einfach aus dem Weg oder liefert ihnen sein Pausenbrot, sein Taschengeld oder was auch immer ab. Und gegen Spionage kann man sich wehren. Wieso kann diese Republik mit ihrem Heer von Ingenieuren und Forschern der Bundeskanzlerin eigentlich kein abhörsicheres Handy zur Verfügung stellen?