Die
Beziehung zwischen den Konzernen und der Politik hat sich im Laufe der letzten
hundertfünfzig Jahre in den westlichen Ländern zu einem gut geölten Getriebe
entwickelt. Jeder kennt seine Rolle, das System funktioniert geräuschlos.
Gelegentlich gibt es Irritationen wie den Flick-Skandal in den achtziger Jahren
oder Kohls Parteispendenaffäre, aber dadurch ändert sich nichts. Kapital und
Politik sind ein eingespieltes Team. Geld und lukrative Jobs gegen eine
unternehmerfreundliche Politik. Gerne mit sozialen Wohltaten garniert, die der
Bürger mit seinen Steuerzahlungen ohnehin selbst finanziert. In den USA sind
alle Abgeordneten des Repräsentantenhauses und alle Senatoren übrigens selbst
Multimillionäre. Sie gehören also zur selben Klasse wie die Milliardäre, die
die Wahlkämpfe finanzieren.
In Osteuropa
ist der Kapitalismus erst dreißig Jahre alt. Er steckt noch in den
Kinderschuhen und ist mit dem westlichen Kapitalismus Ende des neunzehnten
Jahrhunderts zu vergleichen. Es ist kein anonymes System, das geschmeidig
funktioniert, sondern wird von einzelnen Personen repräsentiert. Was in
Deutschland Krupp und Siemens, in den USA Rockefeller und Carnegie waren, sind
im Osten die Oligarchen. Nehmen wir die Ukraine als Beispiel: Der Oligarch
Petro Poroschenko war von 2014 bis 2019 selbst Präsident des Landes. Abgelöst
wurde er von Wolodymyr Selenskyj, einem Schauspieler des beliebten
Fernsehsenders 1+1. Mehrheitseigner ist der Oligarch Ihor Kolomojskyj. Sein
Gegenspieler war Poroschenko, der dessen Macht im größten ukrainischen
Ölkonzern Ukrnafta beschnitt, woraufhin Kolomojskyj die Konzernzentrale von
seiner Privatarmee besetzen ließ und der ukrainischen Regierung unverhohlen mit
einem militärischen Angriff drohte. So muss es damals auch in Manchester
zugegangen sein. Selenskyj gilt als Marionette des Oligarchen und wird von
dessen Leibwächtern seit Amtsantritt beschützt. Aber eine demokratisch gewählte
Marionette wie Biden oder Scholz.
In
Russland erscheinen die Verhältnisse komplizierter. Mit Putin hat ein Politiker
die Macht, nicht die Oligarchen. Was unterscheidet einen Großkapitalisten von
einem Diktator? Der Kapitalist will Geld, der Diktator Ansehen, einen Platz in
den Geschichtsbüchern. Dem Kapitalisten sind Geschichtsbücher egal, er will teure
Yachten, riesige Villen und Privatflugzeuge. Er denkt in anderen Kategorien.
Die russischen Oligarchen haben also kein Interesse am Krieg mit der Ukraine.
Er stört ihre Geschäfte und ihr Privatleben in London oder auf Ibiza. Ihre
Profite beim Export von Rohstoffen stürzen gerade ab, das postsowjetische
Geschäftsmodell gerät ins Wanken. Haben sie die Macht, Putin nach einer sich
gerade abzeichnenden Niederlage zu stürzen? Der Ausgang des Krieges wird an
einem Ort entschieden, den wir nicht im Fernsehen gezeigt bekommen.
P.S.: Kolomojskyj
und Selenskyj sind Juden und es wundert mich, dass die AfD noch keine
Verschwörung des internationalen Finanzjudentums verkündet hat.
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