Es war
ein schöner Sommertag, als ich mit Lisa in unser neues Leben fuhr. Wir saßen in
meinem alten Volvo, lächelten uns an und als „It’s A Fine Day“ von Opus III im
Radio lief, summten wir gemeinsam die Melodie. Hinter uns fuhr der Möbelwagen
mit unserer bescheidenen Habe. Wir zogen aus unserer kleinen Erdgeschosswohnung
in der Innenstadt in ein Reihenhaus in einem Vorort. 24 Häuser säumten die
Straße im Neubaugebiet „Vogelsang“. Ich hatte ein wenig Geld geerbt und so
konnten wir uns die Anzahlung für das Haus leisten. Zwanzig Jahre würde ich die
Hypothek abbezahlen müssen, aber ich machte mir keine Sorgen.
Dann
betraten wir zum ersten Mal unser neues Zuhause. Wir hatten den Bauplan
gründlich studiert und wussten genau, wie wir die Räume aufteilen wollten. Das
Erdgeschoss bestand aus einem riesigen Raum mit einer offenen Küche, den wir
als Wohn- und Esszimmer nutzen wollten. Dann gab es noch ein Gäste-WC, einen
Heizungsraum, in dem Platz für unsere Waschmaschine und den Wäschetrockner sein
würde. Am Ende des Flures war die Tür zum Garten, der noch wüst und leer war,
den wir aber in den nächsten Wochen bepflanzen wollten. Lisa hatte schon ein
paar gute Ideen. Im Obergeschoss gab es drei Zimmer und ein großes Bad. Wir
hatten beschlossen, dass jeder von uns ein eigenes Zimmer bekommen sollte. Das
dritte Zimmer, das nach Norden lag, würde unser Schlafzimmer sein.
Wir
gaben den Möbelpackern Anweisungen, wie die Möbel zu verteilen waren, und
schlenderten dann durch das Haus. Unsere Stimmten hallten in den leeren Räumen
wie in einer Kathedrale. Im Schlafzimmer umarmten wir uns und küssten uns
lange. Endlich konnten wir das Leben führen, von dem wir schon immer geträumt
hatten.
Wer
hätte ahnen können, dass ich zwei Jahre später meine Stelle als Programmierer
verlieren würde?
Wer
hätte ahnen können, dass ich meine Frau am selben Tag mit einem DHL-Fahrer im
Bett erwischen würde, weil ich ungeplant schon um elf Uhr wieder zuhause war?
Wer
hätte ahnen können, dass ich bei der Scheidung das Haus verlieren würde, aber
aufgrund meines geringen Einkommens als Arbeitsloser wenigstens keine Alimente
zahlen musste?
Wer
hätte ahnen können, dass meine Ex-Frau im folgenden Jahr betrunken die Treppe
herunterfallen und sich das Genick brechen würde?
Wer
hätte ahnen können, dass ihr Bruder das Haus erben, die Hypothek abbezahlen und
es mit einem fetten Gewinn weiterverkaufen würde?
Wer
hätte ahnen können, dass ich als Busfahrer jeden Tag siebenmal an meiner alten
Erdgeschosswohnung vorbeikommen würde?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen