Sonntag, 8. Dezember 2024

Es droht Ungemach

 

Blogstuff 1013

Berlin ist groß und voller architektonischer Merkwürdigkeiten. Man denke nur an das Sichtbetonmonster ICC, von der Bevölkerung liebevoll Panzerkreuzer Charlottenburg genannt, oder den Bierpinsel. In Wilmersdorf gibt es die einzige Wohnbebauung über einem Autobahnabschnitt in ganz Deutschland: Schlangenbader Straße im Rheingauviertel. Ende der siebziger Jahre entstanden hier fast 1800 Sozialwohnungen, die Autobahn darunter ist inzwischen wegen Brandschutzdefiziten (=> BER) gesperrt und führt ohnehin ins Nirwana. Wenige hundert Meter hinter dem vierzehnstöckigen Moloch mündet sie in eine ganz normale Wohnstraße. Vom Bund geförderte Großprojekte für den Berliner Baufilz. Das komplette Bauvorhaben kostete über eine halbe Milliarde D-Mark, allein vierhundert Millionen für den Wohnungsbau, damals viel Geld. Richard von Weizsäcker, damals Regierender Bürgermeister, sagte: „Wenn der Teufel dieser Stadt etwas Böses antun will, lässt er noch einmal so etwas wie die ‚Schlange‘ bauen.“ Und dann haben wir noch die Nazi-Bausünden wie einen Schwerbelastungskörper in der General-Pape-Straße (12.000 Tonnen), den Flakbunker im Humboldthain oder die „Speerplatte“ in Plötzensee (90.000 Quadratmeter) für die Fahrzeugflotte von Hitlers Architekt, die 1992 abgerissen wurde.

Deutschland mag ökonomisch nicht mehr so erfolgreich wie früher sein. Auch in Sachen Digitalisierung und Infrastruktur sind wir inzwischen auf Balkanniveau. Aber wir sind immer noch Weltmeister. Nicht mehr in Sachen Export, sondern in Sachen Coaching. Anderen Leute ungefragt, mit den Händen in den Hosentaschen, gute Ratschläge fürs Leben zu geben – das kann der Deutsche, das macht ihm Spaß, da fühlt er sich gebraucht und kann etwas Gutes für seine Mitmenschen tun. Hier mein Ranking aus persönlicher Erfahrung, leider habe ich nie eine Strichliste geführt. Es ist also nur gefühlte Reihenfolge:

1.    Kauf dir ein Smartphone. Unbegreiflich, wie dieser Typ ohne mobiles Daddelgerät durchs Leben kommt.

2.    Mach doch mal Sport. Manchmal verlasse ich tagelang nicht meine Wohnhöhle. Und dann auch noch Joggen oder Fitnessstudio?

3.    Kauf dir doch auch ein E-Bike. Wird meistens in den ersten Monaten nach dem eigenen Erwerb geäußert. Dann ist oft der Lack ab.

4.    Trink weniger Wein / Iss mehr Obst und Gemüse. Frage: Wie reagiert mein Körper auf so eine drastische Umstellung? Vitamine habe ich schon als Kind gemieden.

5.    Schreib doch mal wieder ein Buch. Ich schreibe jährlich Blogposts im Umfang eines Buchs. Irgendwas zwischen zwei- und dreihundert Seiten in den letzten zehn Jahren (den letzten Roman habe ich 2013 geschrieben). Zählt offenbar nicht.

Nicht mehr in der Hitliste, seit ich nach elf Jahren Hunsrück wieder in Berlin bin: „Kauf dir ein Auto“ und „Schaff dir einen Hund an“. Was ich nie höre: „Investiere in deine Zukunft.“ Hey, ich habe noch eine Zukunft!

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