Blogstuff 1013
Berlin ist groß und voller
architektonischer Merkwürdigkeiten. Man denke nur an das Sichtbetonmonster ICC,
von der Bevölkerung liebevoll Panzerkreuzer Charlottenburg genannt, oder den
Bierpinsel. In Wilmersdorf gibt es die einzige Wohnbebauung über einem
Autobahnabschnitt in ganz Deutschland: Schlangenbader Straße im
Rheingauviertel. Ende der siebziger Jahre entstanden hier fast 1800
Sozialwohnungen, die Autobahn darunter ist inzwischen wegen Brandschutzdefiziten
(=> BER) gesperrt und führt ohnehin ins Nirwana. Wenige hundert Meter hinter
dem vierzehnstöckigen Moloch mündet sie in eine ganz normale Wohnstraße. Vom
Bund geförderte Großprojekte für den Berliner Baufilz. Das komplette Bauvorhaben
kostete über eine halbe Milliarde D-Mark, allein vierhundert Millionen für den
Wohnungsbau, damals viel Geld. Richard von Weizsäcker, damals Regierender
Bürgermeister, sagte: „Wenn der Teufel dieser Stadt etwas Böses antun will,
lässt er noch einmal so etwas wie die ‚Schlange‘ bauen.“ Und dann haben wir
noch die Nazi-Bausünden wie einen Schwerbelastungskörper in der
General-Pape-Straße (12.000 Tonnen), den Flakbunker im Humboldthain oder die
„Speerplatte“ in Plötzensee (90.000 Quadratmeter) für die Fahrzeugflotte von
Hitlers Architekt, die 1992 abgerissen wurde.
Deutschland mag ökonomisch nicht
mehr so erfolgreich wie früher sein. Auch in Sachen Digitalisierung und
Infrastruktur sind wir inzwischen auf Balkanniveau. Aber wir sind immer noch
Weltmeister. Nicht mehr in Sachen Export, sondern in Sachen Coaching. Anderen
Leute ungefragt, mit den Händen in den Hosentaschen, gute Ratschläge fürs Leben
zu geben – das kann der Deutsche, das macht ihm Spaß, da fühlt er sich gebraucht
und kann etwas Gutes für seine Mitmenschen tun. Hier mein Ranking aus persönlicher
Erfahrung, leider habe ich nie eine Strichliste geführt. Es ist also nur gefühlte
Reihenfolge:
1.
Kauf dir ein
Smartphone. Unbegreiflich, wie dieser Typ ohne mobiles Daddelgerät durchs Leben
kommt.
2.
Mach doch mal Sport.
Manchmal verlasse ich tagelang nicht meine Wohnhöhle. Und dann auch noch Joggen
oder Fitnessstudio?
3.
Kauf dir doch auch
ein E-Bike. Wird meistens in den ersten Monaten nach dem eigenen Erwerb geäußert.
Dann ist oft der Lack ab.
4.
Trink weniger Wein /
Iss mehr Obst und Gemüse. Frage: Wie reagiert mein Körper auf so eine
drastische Umstellung? Vitamine habe ich schon als Kind gemieden.
5.
Schreib doch mal
wieder ein Buch. Ich schreibe jährlich Blogposts im Umfang eines Buchs. Irgendwas
zwischen zwei- und dreihundert Seiten in den letzten zehn Jahren (den letzten
Roman habe ich 2013 geschrieben). Zählt offenbar nicht.
Nicht mehr in der Hitliste, seit
ich nach elf Jahren Hunsrück wieder in Berlin bin: „Kauf dir ein Auto“ und
„Schaff dir einen Hund an“. Was ich nie höre: „Investiere in deine Zukunft.“
Hey, ich habe noch eine Zukunft!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen