Dienstag, 23. Mai 2023

Neulich in meinem Detektivbüro

 

Es war einer dieser Tage, an denen der Frühling nicht so richtig in Schwung kommen wollte. Ich blickte aus meinem Bürofenster und sah, dass Wichtelbach in dichten Nebel getaucht war. In der Ferne glitzerten die majestätischen schneebedeckten Gipfel des Hunsrücks in der Morgensonne.

Seit Monaten hatte sich kein Klient mehr in meine Detektei verirrt, auf der Sitzfläche des Besucherstuhls lag eine dicke Staubschicht. Da klopfte es plötzlich an der Tür.

Eine unscheinbare junge Frau trat ein. Sie war dünn, ungeschminkt, hatte ihr Haar zu einem Dutt zusammengeknüllt und trug eine schreckliche Hornbrille, in der ihre Augen herumschwammen wie in einem Aquarium.

„Sind Sie Rüdiger Marlowe?“

„So steht’s an der Tür, Puppe.“

„Ich suche jemand, der jemand suchen kann.“

„Ich kann es versuchen.“

Sie kam näher und sah den staubigen Stuhl. Sie zog ein Taschentuch mit dem eingestickten Monogramm „B. H.“ aus der Handtasche und wischte den Stuhl ab. Dann setzte sie sich.

„Was würde mich die Sache kosten?“

„Kommt darauf an, wie lange es dauert und wie schwierig es ist, die betreffende Person zu finden.“

Ich öffnete die Schublade meines Schreibtischs, fischte eine Flasche Bourbon heraus und goss mir einen Vierfachen ein, den ich in einem Zug die Kehle hinunterspülte.

„Es geht um meine Schwester Ute.“

„Sie ist verschwunden?“

Ich stopfte meine Bong, nahm einen tiefen Zug und bekam einen schrecklichen Hustenanfall.

„Seit einer Woche antwortet sie nicht auf Mails oder Anrufe.“

Sie öffnete ihr Haar und Wogen von goldblonden Locken fielen über ihre Schulter.

„Das ist ja ein Ding“, antwortete ich lahm.

Ich legte mir eine fette Line Koks und ließ sie durch einen gerollten Fünf-Euro-Schein geräuschvoll in meinem Rüssel verschwinden.

Sie öffnete die beiden oberen Knöpfe ihrer Bluse und beugte sich zu mir nach vorne. Ich blickte mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund auf ihr üppiges Dekolleté.

„Sie müssen mir helfen, Mister Marlowe.“

Ich packte mein Spritzbesteck auf den Tisch und sagte: „Kein Problem, Schätzchen. Ich habe schon ganz andere Sachen gefunden.“

Sie nahm ihre Brille ab. In ihren Augen glitzerte die pure Wollust. Dann klebte sie sich zwei künstliche Wimpern auf die Glotzpickel und malte sich etwas rote Schmiere auf die Lippen.

Um die Sache kurz zu machen: Die Schwester ist wieder aufgetaucht und ich habe jetzt eine rattenscharfe Freundin.    

 

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