So,
der ist überfällig, der ist sogar extrem überfällig, der muss sein, den will
ich schon lange machen, weil er es verdient hat, weil ich seinen Blog so mag,
weil ich seine Entwicklung faszinierend finde, weil einer nur so schreiben
kann, wenn er Dinge selbst erlebt hat oder eine Vorstellungskraft hat, die
nicht mehr nur Empathie ist, sondern irgendetwas größeres, ein literarisches
Talent, ein Schreiber, ein Kiezschreiber.
Den Kiezschreiber lese ich seit etwa 2011. Zu der Zeit habe ich noch gar nicht
gebloggt, sondern bei dem untergegangenen Bewertungsportal Qype meinen
unmaßgeblichen Sermon ins Netz geblasen. Blogger waren für mich damals noch
entrückte Feenwesen, die fast auf einer Stufe mit dem
"professionellen" Online-Journalismus standen und die irgendwas
machten, was ich nicht konnte: Einen Blog.
Der Kiezschreiber wohnte damals noch gegenüber in Berlin-Wedding und da ich die
meisten Blogs meiner Umgebung in meinem Feedreader habe (außer die fünf
Millionen Mutti- respektive Vatiblogs, denn so viel Content über den Kosmos
zwischen Wickeltisch, Zahnfee und Bioweinbergpfirsich verkrafte ich nicht), war
er eben auch dabei, denn ich mag ja Wedding sehr.
Seine Texte - er sieht mir das hoffentlich nach - fand ich seinerzeit
zugegebenermaßen immer ein wenig konfus. Zu kurz auch. Keine Linie. Keine
Absätze. Es gab Fragmente zur aktuellen Politik, kleinere Rants zu
irgendwelchen Dingen, irgendwas zum Quartiersmanagement, das ich nicht
verstand, einige Positionen zur unseligen Debatte um die Planierung des
Mauerparks, als ein traurige Ansammlung von Clowns genannt Bürgerinitiative den
Protest dagegen erst (zur Freude des Investors) in unerträglicher
Vereinsmeierei befriedet und dann komplett
verkackt hat.
Der Kiezschreiber hat die
Sache mit dem Mauerpark immer begleitet, für meinen Geschmack
etwas dünn, aber nicht wirklich falsch, so wie das ganze Blog - leicht dünn,
manchmal wirr, aber so ganz falsch
nie. Ich las ihn so nebenbei, mein Eindruck war der eines sympathischen Kerls,
der sich offenbar gerne verzettelt, sich oft das Leben schwerer macht als nötig
und keine Mitte hat. Ich räume ein, ich habe ihn gerne überblättert. Oft
überblättert. Quergelesen, wenn es hochkommt. Ja, culpa. Mea. Maxima. Tralala.
Dann das.
September 2013. Krankheit. Abschied. Der Kiezschreiber schmeißt hin.
Autsch. So schnell geht das. Es ist eben doch Kleinbloggersdorf hier, in dem
ich mich an den netten schrulligen Nachbarn gewöhnt habe und ihn vermisse, wenn
er fort ist. Ich bin so ein sentimentaler Hund. Ich trauere um Leute, die ich
gar nicht kenne.
Dann drei Monate später der Neuanfang. In Schweppenhausen. Was
zum Teufel ist Schweppenhausen?
Ehrlich, ich habe keine Ahnung, was dazwischen passiert ist, ich weiß ja im
Grunde nichts über den Kiezschreiber, nur, dass ihm der Neuanfang zumindest
literarisch (und hoffentlich sonst auch) gut getan hat, denn er ist seit diesem
Jahr ständiger Bewohner meiner regelmäßigen Linkliste von Texten, die ich für
lesenswert und in seinem Fall sogar partiell für großartig halte. Kiezschreiber
Schweppenhausen unterscheidet sich in Stil, Thematik und Ästhetik diametral von
Kiezschreiber Wedding.
Ich weiß es nicht, vielleicht liege ich komplett falsch, aber mich beschleicht
das Gefühl, dass da einer sein Leben aufschreibt, ob aus eigenem Erleben oder
aus fremden Einflüssen heraus kann ich nicht beurteilen und es ist mir auch
egal. Da kommt ein Brett nach dem anderen, mal feinfühlig, mal brachial, mal
derb, mal sinnlich. Fast jeden Tag eins. Literatur. Für umme. Er verschenkt sie
einfach so.
Ja, ich lese ihn unheimlich gerne, die meisten seiner neueren Texte wären es
wert, zwischen Buchdeckel gepresst zu werden, würden sich Bücher heutzutage
noch lohnen.
Natürlich ist der optische Auftritt seines Blogs ein Heuler, na klar, es wirkt
vom Design her ziemlich ungelenk und nicht so ansprechend wie das andere mal
eben so nebenher bringen, aber das finde ich, der es nicht geschafft hat, bei
wordpress.com ein schwarzes Theme einzurichten, das nicht 99,99 $ kostet, und
deshalb gleichfalls hier bei Blogspot, dem Idiotenhoster für technische Nullen,
anheuern musste, tatsächlich charmant. Noch einer, der das nicht kann. Find'
ich gut.
Kiezschreiber, ich wünsche dir ehrlich, unironisch und mit allem gebotenen
Pathos alles Gute, viel Kraft und in erster Linie Gesundheit. Bitte schreib'
weiter. Und halt' den Kopf oben.
Ah, cool! Danke für den Hinweis auf dieses tolle Blog! Kannte ich noch gar nicht! ;-)
AntwortenLöschenUnbedingt mal reinschauen. Lohnt sich. Eine echte Perle! Seit 2014 ist es auch noch viel viel besser geworden :o)
LöschenDas Blog des Laudators gibt's ja schon seit 2017 nicht mehr ;)
AntwortenLöschenEhrenmaschinist!
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