Samstag, 27. Mai 2023

Veggie-Day reloaded

 

„Viele Menschen sehen ein, dass der Erhalt der Lebensgrundlage elementar ist, aber ihre eigenen existentiellen Nöte sind ihnen näher. Während die Grünen Angst vor dem Ende der Welt haben, haben viele Menschen Angst vor dem Ende des Monats.“ (Christoph Sieber)

Sie erinnern sich an den Bundestagswahlkampf vor zehn Jahren? Die Grünen forderten einen Veggie-Day pro Woche in der Kantine und der Mensa. Ich weiß gar nicht, ob es das Wort Shitstorm damals schon gab, aber riesige Horden von Schweinenacken-Orks zogen marodierend durchs Land, Fackeln und Mistgabeln wurden geschwungen. Das Wahlergebnis war mit 8,4 Prozent eine herbe Niederlage.

Es gibt Themen, bei denen die Bürger allergisch reagieren, wenn der Staat sich einmischt. Dazu gehören Datenschutz und Ernährung, Auto und Heizung. Staatliche Projekte wie das geplante Heizungsgesetz (eigentlich: „Gebäudeenergiegesetz“, Neufassung 2023) werden als Eingriff in die persönliche Autonomie und Entscheidungsfreiheit wahrgenommen. Wäre Holgi der chinesische Staat, würde er von Einmischung in die inneren Angelegenheiten sprechen und es sich verbitten.

Übt der Staat Druck auf die Bürger aus, entsteht Gegendruck. Es ist also weder pädagogisch noch politisch (die nächsten Wahlen kommen bestimmt) sinnvoll, rigide Vorgaben zu machen. Ab 2024 sollen keine neuen Gas- und Ölheizungen mehr eingebaut werden. Die Idee ist richtig, denn Klimaschutz wird immer wichtiger. Selbst die eben erwähnte chinesische Regierung gibt den Autofabriken im eigenen Land jetzt Quoten vor, wie viele E-Autos gebaut werden sollen. Aber wir leben nicht in einer Diktatur, also muss man behutsamer und geschickter vorgehen.

Holgi soll von selbst draufkommen, dass die Wärmepumpe eine gute Idee ist. Also unterstützt der Staat den Einbau mit Zuschüssen. Auch das steht im geplanten Gesetz. Zuckerbrot statt Peitsche. Wenn die Wärmepumpe günstiger ist als Öl- und Gasheizungen und wir davon ausgehen, dass Holgi rational denkt, entscheidet er sich für die preiswertere Variante. Zuckerbrot 2: Der CO2-Preis. Eine Tonne CO2 kostet Holgi im Augenblick 30 Euro. 2025 sind es schon 45 Euro, also fünfzig Prozent mehr. 2026 dann 55 bis 65 Euro – der CO2-Preis verdoppelt sich im Vergleich zu heute. Gleichzeitig werden die Strompreise gesenkt. Das hat übrigens schon die Regierung Merkel beschlossen, das ist keine Idee der Grünen.

Auf diese Weise zieht die Wärmepumpe ganz elegant und geschmeidig an den anderen Heizungen vorbei. Holgi hat alles richtig gemacht, Habeck hat alles richtig gemacht und die Grünen schmieren nicht wieder so hässlich ab wie 2013. Vielleicht ergänzt man das Gesetzesvorhaben noch um eine soziale Komponente als Schmankerl, z.B. Förderung nach Höhe des Einkommens. Man verbietet nichts, auch keine neuen Öl- und Gasheizungen, man fördert nur. Schließlich könnte es aufgrund der hohen Nachfrage nach Wärmepumpen zu langen Wartezeiten kommen (Personalmangel, Lieferengpässe). Es könnte so einfach sein, wenn man sich ein wenig in die Holgis dieser Welt einfühlen kann und nicht ökologischen Frontalunterricht macht.

P.S.: Laut ZDF-Politbarometer vom 26.5.2023 findet eine Mehrheit von 56 Prozent das geplante Heizungsgesetz gut.



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