Sonntag, 21. Mai 2023

Wie die Welt am deutschen Wesen genesen wäre

 

Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,
mit Wogenprall und Sturmgebraus,
dann wäre Deutschland nicht zu retten
und gliche einem Irrenhaus.

(Erich Kästner: Die andere Möglichkeit)

Es gibt in diesem Haus vier Räume mit Bücherregalen. Insgesamt sind es sicher mehr als tausend Bücher und ich finde immer wieder neuen Stoff für meine Lektüre. Zurzeit lese ich „Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte“ von Ralph Giordano. Es ist 1989 erschienen und ich habe es im Trubel um das Ende des Sozialismus und die deutsche Einheit verpasst. Mein Vater hat es damals gekauft, es ist mit vielen Unterstreichungen und Haftnotizzetteln versehen.

Zunächst stellt sich die Frage, wie Hitler und seine Anhänger überhaupt auf die größenwahnsinnige Idee einer deutschen Weltherrschaft gekommen sind. Versetzen wir uns in die 1920er und 1930er Jahre zurück. Großbritannien beherrscht ein Viertel der Welt, das Empire hat ein Vielfaches der Einwohner jenes perfiden Nordseearchipels (1800 kommen z.B. auf jeden Briten 25 Inder). Frankreich herrscht über ein Weltreich. Die Europäer haben sich in den Jahrhunderten zuvor ganze Kontinente wie Amerika und Australien unter den Nagel gerissen und die einheimische Bevölkerung fast komplett ausgerottet. Das anfangs noch bedeutungslose russische Reich am Rande Europas unterwarf ganz Nordasien, eine riesige Landfläche.

Was zunächst Spanien und Portugal, später Großbritannien, Frankreich und Russland, und sogar kleinen Staaten wie die Niederlande (Indonesien) und Belgien (Kongo) geschafft haben, könnten doch die Deutschen auch hinkriegen, oder? Der erste Anlauf zum „Platz an der Sonne“ unter Willem Zwo war zwar gescheitert, die Ambitionen waren aber noch quicklebendig. 

***

Im Dritten Reich wurden am Südrand des Berliner Tiergartens die Botschaften der drei deutschen Verbündeten Italien, Spanien und Japan gebaut. Nach Kriegsbeginn entpuppte sich Italien als militärische Luftnummer, Spanien verweigerte die Teilnahme und Japan war ein ferner und ungeliebter, weil nicht-arischer, Verbündeter. Es war vage geplant, dass nach der Vernichtung der Sowjetunion die Wehrmacht und die kaiserliche Armee in Omsk aufeinandertreffen sollten.

Nach den raschen Erfolgen gegen Polen, Frankreich und die Sowjetunion wuchsen die Pläne der Nazis ins Phantastische. Europa bis zum Ural und zum Kaspischen Meer, die Niederlande, Belgien, Elsass-Lothringen, die französische Kanalküste, Südschweden, die deutschsprachige Schweiz (die beiden anderen Sprachgebiete sollten Frankreich und Italien zugeschlagen werden), Portugal und der marokkanische Norden (zur Kontrolle der Meerenge von Gibraltar) sollten zum Deutschen Reich gehören. Noch im Sommer 1942 träumte Heinrich Himmler davon, dass im neuen „Lebensraum“ (Polen / Sowjetunion) in fünfhundert Jahren eine halbe Milliarde Deutsche leben würden, denen die slawischen Ureinwohner als Leibeigene zu dienen hätten.

Geplant war eine Kette von Marine- und Luftwaffenstützpunkten im gesamten Atlantik. Von den Kanarischen Inseln, die heute noch von deutschen Handtuch-Bataillonen gehalten werden, den Azoren und anderen Inseln sollten Bomber das Finanzjudentum in New York angreifen und die Vereinigten Staaten zur Kapitulation zwingen. Joseph Goebbels war als Diktator für die USA vorgesehen, die nicht-arische Bevölkerung sollte ermordet oder vertrieben werden.

Vier Wochen nach Beginn der Operation Barbarossa im Juni rechnete Hitler mit einem Sieg über die UdSSR bis September 1941. 1942, nach der Sicherung der Herrschaft über Kontinentaleuropa, sollte Teil 2 des großen Plans beginnen. Neben dem Angriff auf die USA Besetzung des Suezkanals, Eroberung des Iran, Syriens, des Irak, Afghanistans – und dann würden die deutschen Divisionen bei ihrem Einmarsch von der indischen Bevölkerung stürmisch als Befreier begrüßt werden. Teil 3: der Rest der Welt. Von der Welthauptstadt Germania würde man über Satellitenstaaten und Kolonien herrschen.

Es ist bekannt, dass für diese Welthauptstadt, das ehemalige Berlin, die größten Bauten der Menschheitsgeschichte geplant waren. Weniger bekannt ist, dass die Olympischen Spiele 1940 in Tokio stattfinden sollten und Hitler das olympische Feuer per Langstreckenflug persönlich vorbeibringen wollte. Ab 1944 sollten dann alle Olympischen Spiele in einem neuen Stadion in Germania veranstaltet werden, dass doppelt so breit und fünfmal so hoch wie das Stadion von 1936 werden sollte. Ungelöst war das Problem, was der Zuschauer in hundert Metern Höhe und mehr als hundert Meter von der eigentlichen Sportstätte entfernt eigentlich gesehen hätte.

Natürlich wollten die Nazis auch den alten Hohenzollerntraum verwirklichen. Der Mittelafrikanische Ergänzungsraum wäre vom Atlantik bis zum Indischen Ozean und vom Südrand der Sahara bis zum Sambesi gegangen. Hitze und Malaria machen dem Herrenmenschen bekanntlich nichts aus. Hart wie Leder, zäh wie Kruppstahl oder so ähnlich. Wäre das schön gewesen! Und zwanzigfacher Fußballweltmeister wären wir auch.

2 Kommentare:

  1. .....und was hätten wir heute als Herrenmenschen für ein geiles Leben.....

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    1. Bin ich mir nicht so sicher. Ein falsches Wort und du landest im KZ. Weltweit verhasst, überall Zwangsarbeiter, die dir am liebsten an die Gurgel gehen wollen usw.

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