Mittwoch, 1. Juni 2022

Keine Helden, keine Feinde

 

Blogstuff 701

„Bier, Bier, Bier, wie es auch komme!“ (Jean Paul)

Als ich die Wohnungstür öffne, stehe ich vor einer Menschenmenge. Die gesamte Nachbarschaft hat sich auf dem Flur versammelt. Ein älterer Herr mit schütterem Haar tritt vor und beginnt, eine gemeinsam verfasste Petition gegen mich zu verlesen.

„Natürlich ist es der falsche Weg“, sagte der Teufel. „Aber du wirst der Erste sein.“

Meine Generation hat in den achtziger und neunziger Jahren oft „irgendwie“ gesagt. Es ist nicht zufällig ein Kernbegriff geworden. Wie hatten keinen Plan wie die 68er, wir wollten nur irgendwie ein gutes Leben. Das haben wir geschafft. Darüber hinaus haben wir nichts erreicht.

Preisfrage an die Militärexperten: Was wäre passiert, wenn Saddam Hussein im Irak-Krieg nach zwei Monaten kapituliert hätte? Wäre die US-Invasion beendet worden? Hätte Hussein seinen Job als Diktator behalten? Antwort: nein, natürlich nicht. Ähnlich naiv sind die Vorstellungen der Pazifisten im Ukraine-Krieg. Putin möchte einen willfährigen Vasallen in Kiew installieren und die Kontrolle über das ganze Land erlangen. Er hat zu viel investiert, um sich mit einem lauwarmen Unentschieden zufrieden zu geben.

Es gibt keine Rettung. Ich bin erleichtert.

Der Exzess, die Orgie, das Gelage als Anschlag auf das Imperium der Vernunft und der Effizienz, als Akt der Anarchie. Alle Macht den Drogen, keine Macht den Herrschenden. Alkoholismus ist gelebter Widerstand.

Wenn man alle Folgen der Kriege nachzeichnen wollte, wäre am Ende alles, was man Geschichte nennt, das Ergebnis von Gewalt.

Für manche Leute sind Selbstsicherheit und Kompetenz das gleiche.

Nach dem verlorenen Krieg wurde aus der Volksgemeinschaft eine Arbeitsgemeinschaft. Wohlstand und Geld ersetzten Nation und Kultur. Wir sind auf BMW stolz, nicht auf Beethoven. Deswegen treffen materielle Krisen wie Arbeitslosigkeit und Inflation die Deutschen ins Mark, sie berühren den Kern ihrer Identität.

Wie alle großen Denker litt er am endlosen Wechselbad von Verzweiflung und Selbstüberschätzung.

Ausgestorbene Berufe: Scheckbetrüger.

China, Russland, USA – es gibt viele Herrenvölker. Wir Deutschen haben nicht das Monopol aufs Scheiße-Sein.

Wenn man mich töten möchte, muss man mich nur mit einem Eimer Mascarpone und einer Schöpfkelle (Löffel reicht nicht!) in einem Raum allein lassen.

Molly Hatchet Fall of the Peacemakers - YouTube

 

13 Kommentare:

  1. Man kann nicht sagen, wir hätten nichts erreicht.
    Meine Generation hat die westliche Welt in den 80/90/Nullern entscheidend geprägt.
    Kulturell, wirtschaftlich wie auch technologisch.
    Steve Jobs (apple) ist sogar aus den 50ern.
    Wer hat den ganzen Handyschrott entwickelt und programmiert, und und und.
    Was man uns in der Tat vorwerfen kann ist dieses Hinübergleiten von der einst politischen und kritischen Haltung zur

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  2. Sorry, vorher falsche Taste..
    ....Zur Eingliederung in den kapitalistischen Produktionsprozess.
    Das ging so schleichend.
    Damals war es in den Firmen auch nicht so Stier.
    Zum einen hat man nicht so malocht wie ab 2000 und die Kollegen hatten auch nicht so Angst.
    Man stand auch mal rum und hat politische Themen erörtert und vor allem, man hatte noch eine Meinung.
    Heute sagt echt keiner mehr irgendwas.
    Und man hat sich in Abhängigkeiten begeben. Haus gekauft, Familie, lauter so Zeug, aus dem man nicht mehr rauskommt.
    Die Gesellschaft hat sich so ab 2000 wirklich stark verändert, aber so lautlos, unmerklich.
    Ich kann nicht einmal sagen, wie das passiert ist, wer das forciert hat, wie das gemacht wurde. Aber das ist jetzt die Situation.

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    1. Habe ich zum Glück nicht gemacht. Keine Familie, kein Haus, kein Auto, keine Verpflichtungen und keine Abhängigkeiten. Ich reise mit leichtem Gepäck durch die Zeit. Seit fast zwanzig Jahren.

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  3. Aus diesem Grund haben Sie diese dramatische Umwälzung nicht bemerkt.
    Die Gesellschaft hat sich stark verändert im Vergleich zu vor 20 Jahren.
    Auch ohne Corona und jetzt Ukrainekrieg.
    Iss ja auch nur ein weiterer Krieg.
    Seien wir ehrlich.

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    1. Wenn sich etwas "dramatisch" verändert hätte, würde ich im Freundeskreis oder der Familie davon erfahren. Aber selbst die Krankenschwester und der Handwerker, die ich kenne, klagen nicht. Liegt vielleicht auch am Alter. Wir sind alle auf der Zielgeraden zur Rente. Oder es liegt an der Gemächlichkeit des Landlebens.

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  4. Die erste Veränderung passierte, laut meinen Vater und daher von mir kaum bemerkt, bei der Machtübernahme durch Kohl. Ich war in dieser Zeit natürlich in einer anderen Blase.
    Er sagt, die Menschen wären nach der Brand/Schmidt Zeit viel konservativer geworden. In Haltung, Sprache usw
    Der nächste Schub kam wie geschrieben schleichend nach 2000.
    Hier vor allem in der totalen Kritiklosigkeit.
    Das Endergebniss sehen wir heute.

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    1. Ich war beim Regime Change 1982 16 Jahre alt. Reagan und Thatcher haben das neoliberale Zeitalter eingeläutet, nicht Kohl. In Big Britain und den US of A waren die Entwicklungen wesentlich dramatischer. Kritiklos waren die saturierten Massen schon in meiner Jugend, so wie heute.

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  5. Man merkt, daß Sie kein boomer mehr sind.
    Gleiche Generation, andere Kohorte.
    Wir waren keine "saturierte Masse".
    Freundin von mir, bäuerliche Herkunft, mußte im Sommer barfuß laufen, keine Schuhe.
    Nur ein gutes Paar für den Kirchgang und Schule.
    Und das in Deutschland, 60er Jahre.
    Man ist nach dem Abi auch nicht nach Thailand gejettet.
    Und die ersten großen Flugreisen, Südamerika war damals schwer angesagt, machten manche dann auch erst mit Ende des Studiums.
    Indien natürlich schon früher, die Altfreaks, aber mühsam über den Landweg.

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    1. In welchem Land sind Sie denn aufgewachsen? Keine Schuhe? Mein Vater (Jahrgang 1934) ist auch auf dem Bauernhof aufgewachsen und hatte selbstverständlich Schuhe, wenn auch nur zwei Paar (Alltag / Sonntag).

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  6. Tja, Vater Kleinbauer, schwerer Trinker, viele Kinder.....
    Im Winter gab's schon Schuhe, die von den älteren Geschwistern.
    Sie haben keine Ahnung, was für eine Armut es stellenweise 20 Jahre nach dem Krieg noch gab.
    Saturierte Masse, ha !!

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    1. Okay, Boomer :o)))

      Vermutlich gab es 1965 auch nichts zu essen und man hat aus Pfützen getrunken.

      Nochmal die Frage: Wo war das? DDR? Rumänien? Oberpfalz?

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