Sonntag, 26. Juni 2022

Es lebe die Inflation

  

Wir wissen es alle seit vielen Jahren: Gegen die Klimakatastrophe hilft nur Verzicht. Weniger konsumieren, weniger Fleisch essen, weniger reisen und weniger Energie verbrauchen. Verzicht bedeutet aus ökologischer Sicht Gewinn. Haben wir verzichtet? Nein. Haben wir die theoretisch unbestrittene Erkenntnis in die Praxis umgesetzt. Nein.

Ich erinnere mich an eine Szene aus dem letzten unbeschwerten Sommer. 2019. Acht Menschen sitzen in einem Garten um den Tisch herum. Der Wein fließt in Strömen, auf dem Grill brutzeln mehrere Kilogramm billiges Schweinefleisch, eine Rauchwolke steigt in den Himmel empor. Wir reden über Greta und das Klima. Alle finden Greta gut. Dann geht es um die Reisepläne. Wer fliegt nach Spanien, wer nach Italien? Niemand in der Runde erkennt die Ironie der ganzen Szene.

Jetzt zwingt uns die Inflation zum Verzicht. Für unser Gehalt bekommen wir weniger Waren und Dienstleistungen. Das Fleisch wird endlich teurer. Der Benzinpreis geht durch die Decke. Könnte man nicht auch mal mit dem Fahrrad oder zu Fuß zum Bäcker statt mit dem Auto?

Die Preise für Hotels und Flugreisen sind gestiegen. Außerdem fehlt es an Personal auf den Flughäfen. Die Lufthansa muss in diesem Sommer dreitausend Flüge streichen. Derzeit holen viele Leute die verpassten Reisen der vergangenen beiden Jahre nach. Aber dann?

Die Restaurants haben die Preise erhöht und die Kapazitäten reduziert, weil Personal fehlt. Gut, dann verzichten wir eben. Theater und Kinos klagen über Zuschauermangel. Aus meiner Zeit als Arbeitsloser weiß ich: auf Gastronomie und Kultur verzichtet man zuerst.

Wir haben zu wenig Erdgas. Also werden die Heizungen im Winter endlich runtergedreht. Zumindest bei den Mietern (58 Prozent der Deutschen). Nur 18 Grad im Wohnzimmer? Richtig so. Dann kann man auch endlich mal den schicken Pullover tragen, den man sich mal für den Skiurlaub gekauft hat, den man sich jetzt sowieso nicht mehr leisten kann. Unsere Vorfahren haben sich im Winter noch im Mantel ins Bett gelegt.

Corona und der russische Feldzug haben die globalen Lieferketten gestört. Man muss länger auf ein neues Auto, Baumaterial oder bestimmte Konsumgüter warten. Handwerker sind auf Monate ausgebucht, alles verzögert sich. Gut für die Umwelt. Wir brauchen keinen Staat, der uns Verzicht befiehlt. Die Inflation und andere Krisen kommen dem Klima zu Hilfe. Danke!

 

2 Kommentare:

  1. Schön geschrieben... und ja, die Rettung des Klimas gehen wir erst dann an, wenn wir den Urlaub nachgeholt haben. Aber das gute ist daran, dass genau das zeigt, dass wir den Planeten nicht retten werden. Ich halte es für unwahrscheinlich.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Mein Neffe hat sich ein Auto mit 190 PS zugelegt und prahlt damit, auf der Autobahn 250 km/h zu fahren. Das ist das Statement der Jugend zur Klimakatastrophe. Von Greta hört man seit Corona nichts mehr, im Augenblick geht es um Krieg und Inflation.

      Löschen