Mittwoch, 15. Januar 2025

Neulich in der Redaktion

 

Es ist 13 Uhr. Bonetti verlässt das Casino im obersten Stock der Konzernzentrale. Er hat gerade eine pochierte Lachshaxe mit Avocadogratin an einer Reduktion aus Sachertorte und roten Beeten gegessen und dazu eine Flasche Chateau Rimbaud getrunken. Gut gelaunt fährt er mit dem Fahrstuhl hinab in die Redaktion.

„Was gibt es Neues?“ fragt er den Chef vom Dienst, kurz Zeh-Pfau-De genannt. Dabei ist es eigentlich keine Abkürzung. Beide Begriffe haben drei Silben. Aber die Vollidioten, die unbedingt Journalist werden wollen, merken das natürlich nicht. Für sie ist es ein Fachausdruck, den die Hochschulabsolventen unter ihnen hochnäsig als Distinktionsmerkmal bezeichnen würden.

Der Redakteur zeigt auf ein surrendes Faxgerät, aus dem langsam ein Blatt Papier ausgeschieden wird.

„Scholz hat ein Interview gegeben.“

„Unwichtig. Seite 5. Machen Sie zwanzig Zeilen daraus und bringen Sie mir den Text ins Büro. Sonst noch was?“

„Trump hat in Florida eine Rede gehalten. Die Übersetzung liegt auf ihrem Schreibtisch.“

Bonetti nickt ihm kurz zu, der Redakteur nimmt das Fax und setzt sich an seine Schreibmaschine.

Im nächsten Raum sitzen die Stenotypistinnen. Sie schreiben auf, was ihnen über Kopfhörer gemeldet wird. Dann kommt der Raum mit den Korrespondenten. An den Wänden stehen ein Dutzend Telefonzellen. Die Reporter sind permanent mit London, Paris, Washington, Peking, Moskau und anderen Hauptstädten verbunden.

Bonetti betritt sein Büro und setzt sich an den riesigen Schreibtisch aus Mahagoni. Dort liegt die Rede von Trump. Er schneidet sie mit der Schere in einzelne Stücke und klebt die wesentlichen Sätze mit einem Pritt-Stift auf ein Blatt Papier. Dann drückt er auf einen Knopf. Fast augenblicklich erscheint seine Sekretärin.

„Bringen Sie das dem Setzer. Überschrift: Wirres Geschwätz aus Florida. Und sagen Sie alle Termine für heute ab, da läuft ein Bud-Spencer-Marathon auf Kabel 1.“

Bonetti ist zufrieden. Der Wichtelbacher Landbote hat eine Auflage von 7000 Exemplaren, ist aber seit dem Gastbeitrag von Elon Musk in aller Munde.

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