Donnerstag, 2. Januar 2025

Genosse Zufall

 

Man möchte gerne glauben, dass alles im Leben geplant und gewollt war. Aber manchmal geschieht etwas, mit dem man nicht gerechnet hat. Im schlimmsten Fall ein Unfall, im besten Fall eine glückliche Fügung des Schicksals. Ein Thema, mit dem ich mich immer wieder gerne beschäftige. Zwei Beispiele:

Anfang 1991 kam ich nach Berlin und lebte im ersten halben Jahr in einer 80qm-Altbauwohnung in der Görlitzer Straße mit Blick auf den Park. Ich hatte sie über die Mitwohnzentrale von einer Frau gemietet, die ein halbes Jahr in ihre saarländische Heimat ging, um ihre Diplomarbeit zu schreiben, ohne Gefahr zu laufen, den Verlockungen und Sirenengesängen der Kreuzberger Kneipenszene zu erliegen. Es gab noch kein Internet und wir schrieben uns Briefe. Wir wurden uns gegenseitig immer sympathischer und sie war beruhigt, dass ihre Wohnung und ihre Pflanzen in guten Händen waren. Als ich zurückkehrte, fuhr ich ins Saarland, um sie zu treffen und ihr den Schlüssel zu geben. Es war ein schöner Abend und wir übernachteten im selben Zimmer, aber in getrennten Betten. Wir hatten beide nur Unterhosen an und spätestens am nächsten Morgen hätte „es“ passieren können. Zu diesem Zeitpunkt waren wir beide Singles.

Jetzt kommt der Zufall ins Spiel. Ein Freund von mir machte gerade ein Praktikum beim ZDF und hatte dort eine Praktikantin kennengelernt, die er sehr nett fand. Also lud er sie eines abends zu sich und seiner Frau zum Essen ein. Er rief mich an und fragte, ob ich auch kommen wollte. Ich fragte nach dem anderen Gast und er gab mir folgende Beschreibung: lange blonde Haare und großer Busen. Natürlich habe ich sofort zugesagt. In diesem Abend habe ich mich rettungslos in sie verliebt. Wenige Tage später war ich im Saarland und für meine Vermieterin verloren. Obwohl ich gar nicht wusste, ob aus mir und der Praktikantin was werden würde, entschied ich mich, wie so oft im Leben, für die Taube auf dem Dach und gegen den Spatz in der Hand. Tatsächlich war ich mit meiner großen Liebe zehn Jahre zusammen, die Saarländerin habe ich nie wieder gesehen. Neulich fiel mir ihr Name wieder ein und ich suchte im Netz nach ihr. Heute lebt sie mit einem Mann im Saarland und hat einen Reiterhof. Wenn der Freund kein Praktikum beim ZDF gemacht hätte (oder zu einem anderen Zeitpunkt) und die Kollegin nicht eingeladen hätte, würde ich vielleicht heute auf einem Reiterhof im Saarland leben. Wer weiß?

Vier Jahre später hatte ich meine Dissertation zum Thema „Beschleunigung und Politik“ fast abgeschlossen, als sich in Berlin eine Ortsgruppe des österreichischen „Verein zur Verzögerung der Zeit“ gründete. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich hingehen sollte. Einerseits war es mein Thema, andererseits würde ich dort niemanden kennen. Meine Freundin sagte mir, ich soll es einfach mal probieren. Was hatte ich zu verlieren? Wenn es mir nicht gefallen hätte, wäre ich einfach nie wieder hingegangen. Was passierte? Ich traf den Projektleiter eines Forschungsinstituts, der haargenau jemanden wie mich für ein Projekt zum Thema Zeit & Stadt suchte. Ich bekam die Stelle und musste noch nicht mal eine Bewerbung schreiben. Am gleichen Abend traf ich in der Ortsgruppe auch einen Prof, der meine Doktorarbeit in seiner Reihe veröffentlichen wollte. Wo wäre ich heute, wenn ich an diesem Tag zuhause geblieben wäre?

 

7 Kommentare:

  1. Bonettis-screwball-tragedy-investigations2. Januar 2025 um 12:05

    Was wäre Bonetti heute ...?
    Stiefelknecht!
    Im Nebenjob Schnellschlürfer im Auftrag von Tetra-Pak und nach Feierabend Geschmackstester für eßbare Pizzakartons.

    Bleiben Sie positiv

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    1. Richtig. Aber so bin ich eben Medienmogul geworden und habe finanziell längst ausgesorgt.

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  2. Leserfrage:
    Stimmt es , dass Bonetti slim fit trägt, aber derzeit eine Kugelbombe unter seinem t-shirt verbirgt ?

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    1. Das ist richtig. In seiner Hose sind zwei weitere Kugelbomben und eine ungarische Salami.

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    2. Du Lügner! Diese Kugelbomben haben, so musste ich lesen, eine kurze Zuendschnur.

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    3. Aber die Salami läuft bei mir an der langen Leine.

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  3. Mag diese Altherren Parlereien

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