Sonntag, 12. Januar 2025

Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich


Jeder, der sich auch nur rudimentär mit der Materie befasst hat, weiß, dass ein Vergleich zwischen Staatshaushalt und Privathaushalt ökonomisch sinnlos ist. Dennoch wird der Vergleich gerne von Laien angestellt und Politiker, die ihr Wahlvolk bewusst dumm halten wollen, befeuern diesen Fehlschluss gerne mit der Rhetorik von der schwäbischen Hausfrau – besonders wenn es darum geht, staatliche Leistungen zu kürzen oder dem Bürger das Engerschnallen seines Gürtels schmackhaft zu machen.

Machen wir uns aber einfach mal den Spaß und ziehen einen solchen Vergleich. Deutschland hat eine Schuldenquote von etwa 63 Prozent bezogen auf das BIP. Nehmen wir einen Privathaushalt, in dem beide Ehepartner zusammen 100.000 Euro im Jahren verdienen. Auf der Bank haben sie also 63.000 Euro Schulden. Sie zahlen regelmäßig ihre Kreditraten ab, die Bank ist zufrieden. Auf Ebene des Staates: Deutschland hat bei allen Rating-Agenturen Bestnoten (AAA). Muss man sich um das Ehepaar Sorgen machen?

Nein, denn sie haben ja noch ein Haus mit Garten, das komplett abbezahlt ist, und der Bank als Sicherheit dient. Auf Staatsebene: Grundstücke und Immobilien des Staates, dazu kommen private Grundstücke und Immobilien, auf die der Fiskus jederzeit mit höheren Steuern zugreifen kann. Ein Geldkoffer mag mobil sein, ein Haus ist es nicht. Außerdem haben die Eheleute noch ein Guthaben bei der Bank, das in manchen Jahren mehr Gewinn abwirft als der Kredit kostet. Die Bundesbürger haben 7,6 Billionen Euro Ersparnisse, die den Schuldnern Deutschlands ebenfalls als Sicherheit dienen, obwohl sie strenggenommen nicht dem Staat gehören.

Wir müssen uns keine Sorgen machen, unsere Kinder und Enkel auch nicht. Bedenklich ist eher der sorglose Umgang mit Vermögenswerten wie der Infrastruktur. Wollen wir unseren Nachkommen – um im Bild zu bleiben – ein schönes Haus hinterlassen, in das wir regelmäßig Geld für Reparaturen und Renovierungsarbeiten gesteckt haben, oder soll es eine schuldenfreie Ruine sein?

Holgi denkt eine Weile nach und fragt dann: Aber was mit völlig überschuldeten Staaten wie Japan und den USA? Japan hat eine Staatsverschuldung von 256 Prozent des BIP, also das Vierfache der deutschen Verschuldung. Bezogen auf das Ehepaar wären das also zweieinhalb Jahresgehälter. Dagegen sind selbst Griechenland und Italien Waisenknaben. Steht Japan vor dem Untergang? Nein, denn die Schulden hat der Staat hauptsächlich bei japanischen Banken gemacht. So, als hätte das Ehepaar Schulden bei den Geschwistern und den Eltern. Das Geld bleibt in der Familie und das System funktioniert.

Ebenso die USA: Schulden von 126 Prozent des BIP klingt nach viel, aber bekanntlich drucken sich die Staaten – im Gegensatz zur schwäbischen Hausfrau, die in diesem Falle vor dem Kadi landen würde – ihr Geld selbst und können nach Belieben Staatsanleihen ausgeben. US-Anleihen werden weltweit gehandelt und kein Gläubiger hat ein Interesse an einem Staatsbankrott, solange man am Ende der Laufzeit sein Geld zurückbekommt. Bei Standard & Poor’s haben die Vereinigten Staaten das zweithöchste Rating (AA+), Japan immer noch A+.

Im Augenblick dominiert noch die Schulden-sind-Teufelszeug-Fraktion den Diskurs. Sobald Merz Kanzler ist, wird sich das ändern, denn sein Wahlprogramm ist nicht gegenfinanziert. Plötzlich sind Schulden für notwendige Investitionen wieder sinnvoll. Merz selbst sagte schon, dass man die neuen Schulden mit zukünftigem Wachstum verrechnen muss. Das reicht dem deutschen Michel, der schon immer eine Abneigung gegen ökonomische Themen hatte, als Erklärung. Am Stammtisch herrscht nach dem „Schuldenchaos“ der Ampel wieder eitel Sonnenschein.

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