Freitag, 10. Januar 2025

Der Ausflug


Alles begann beim Mittagessen. Ich saß in der Kantine. Es gab Hackbraten, Kartoffelbrei und Blumenkohl. Ich aß, ohne nachzudenken, und sah aus dem Fenster. Der Baum vor dem Bürogebäude war schwarz und ohne Blätter, dahinter ein grauer sonnenloser Winterhimmel. Alles wirkte farblos. Irgendwann merkte ich, dass mein Essen keinen Geschmack hatte. Ich steckte es in den Mund, kaute, aber es schmeckte nach nichts. Dann flimmerte der Teller und verschwand. Nach einer halben Minute war er wieder da und so voll wie am Anfang. Als hätte ich noch gar nichts gegessen.

Ich ging zurück in mein Büro. Mir fiel auf, dass ungefähr die Hälfte der Gegenstände auf meinem Tisch fehlten. Ich hatte nie Fotos neben dem Rechner. Keine Familie, nur ein paar Freunde. Niemand stellt sich gerahmte Bilder seiner Freunde auf den Schreibtisch. Der Locher, den ich seit Jahren nicht mehr benutzt hatte, war weg, ebenso ein paar Stifte und eine Goofy-Plastikfigur, die ich mir gekauft hatte, um mir in diesem öden Job wie ein Mensch vorkommen zu können. Ich schaltete den Rechner ein und öffnete die Datei mit der Tabelle, an der ich gerade arbeitete. Die Datei war leer.

Als ich mit dem Bus nach Hause fuhr, kamen mir die Gesichter der anderen Fahrgäste merkwürdig fremd vor. Gut, sie waren mir immer fremd, aber heute waren sie auf andere Weise fremd. Am Kiosk, an dem ich mir zwei Flaschen Bier kaufte, arbeitete ein neuer Verkäufer. Ein älterer Mann mit Schnurrbart und Hornbrille, der ein braunes Hemd und Hosenträger anhatte. Ich ging in meine Wohnung, setzte mich auf das Sofa und öffnete das erste Bier. Ich dachte über den Tag nach. Nach dem zweiten Bier verließ ich die Wohnung. Ich fand einfach keine Ruhe.

Ich fuhr mit dem Bus zum Stadtrand. Von der letzten Haltestelle musste ich noch zwanzig Minuten laufen, bevor ich an die letzten Häuser kam. Sie schienen unbewohnt zu sein. Die Straße und der Bürgersteig endeten und ich ging auf einer Wiese weiter. Dann kam ein Wald, aber er endete schon nach hundert Metern. Vor mir war nichts mehr zu sehen. Alles weiß. Der Boden, der Himmel. Es gab keinen Horizont. Man hätte den Eindruck haben können, hier sei die Welt zu Ende.

Ich ging weiter und streckte die Hand aus. Als ich sie in das weiße Nichts steckte, verschwand sie. Es tat nicht weh. Sie war einfach nicht mehr zu sehen. Ich steckte vorsichtig den Kopf nach vorne. Es war nichts zu erkennen. Alles weiß. Ich hatte Angst, ganz hineinzugehen. Vielleicht käme ich nie wieder zurück? Ich überlegte, was es zu bedeuten hätte. Was stimmte mit meiner Welt nicht? Aber mir fiel nichts ein. Ich ging wieder nach Hause. Am Abend lief ein Krimi im Fernsehen, danach eine Nachrichtensendung.

Daniel F. Galouye beschreibt in seinem Roman „Simulacron-3“ (1964) eine Welt voller simulierter Menschen in einer simulierten Umgebung. Der Direktor dieser Simulation erkennt, dass auch er in einer Simulation lebt. Welcome tot he next level. 1973 wurde das Buch von Fassbinder verfilmt. Ich mag diese Eigentlich-ist-alles-ganz-anders-Storys. Als ich das erste Mal „Matrix“ gesehen habe, war ich richtig geflasht.  

 

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