Alles
begann beim Mittagessen. Ich saß in der Kantine. Es gab Hackbraten, Kartoffelbrei
und Blumenkohl. Ich aß, ohne nachzudenken, und sah aus dem Fenster. Der Baum
vor dem Bürogebäude war schwarz und ohne Blätter, dahinter ein grauer
sonnenloser Winterhimmel. Alles wirkte farblos. Irgendwann merkte ich, dass
mein Essen keinen Geschmack hatte. Ich steckte es in den Mund, kaute, aber es
schmeckte nach nichts. Dann flimmerte der Teller und verschwand. Nach einer
halben Minute war er wieder da und so voll wie am Anfang. Als hätte ich noch
gar nichts gegessen.
Ich
ging zurück in mein Büro. Mir fiel auf, dass ungefähr die Hälfte der
Gegenstände auf meinem Tisch fehlten. Ich hatte nie Fotos neben dem Rechner. Keine
Familie, nur ein paar Freunde. Niemand stellt sich gerahmte Bilder seiner
Freunde auf den Schreibtisch. Der Locher, den ich seit Jahren nicht mehr
benutzt hatte, war weg, ebenso ein paar Stifte und eine Goofy-Plastikfigur, die
ich mir gekauft hatte, um mir in diesem öden Job wie ein Mensch vorkommen zu
können. Ich schaltete den Rechner ein und öffnete die Datei mit der Tabelle, an
der ich gerade arbeitete. Die Datei war leer.
Als
ich mit dem Bus nach Hause fuhr, kamen mir die Gesichter der anderen Fahrgäste
merkwürdig fremd vor. Gut, sie waren mir immer fremd, aber heute waren sie auf
andere Weise fremd. Am Kiosk, an dem ich mir zwei Flaschen Bier kaufte,
arbeitete ein neuer Verkäufer. Ein älterer Mann mit Schnurrbart und Hornbrille,
der ein braunes Hemd und Hosenträger anhatte. Ich ging in meine Wohnung, setzte
mich auf das Sofa und öffnete das erste Bier. Ich dachte über den Tag nach.
Nach dem zweiten Bier verließ ich die Wohnung. Ich fand einfach keine Ruhe.
Ich
fuhr mit dem Bus zum Stadtrand. Von der letzten Haltestelle musste ich noch
zwanzig Minuten laufen, bevor ich an die letzten Häuser kam. Sie schienen
unbewohnt zu sein. Die Straße und der Bürgersteig endeten und ich ging auf
einer Wiese weiter. Dann kam ein Wald, aber er endete schon nach hundert
Metern. Vor mir war nichts mehr zu sehen. Alles weiß. Der Boden, der Himmel. Es
gab keinen Horizont. Man hätte den Eindruck haben können, hier sei die Welt zu
Ende.
Ich
ging weiter und streckte die Hand aus. Als ich sie in das weiße Nichts steckte,
verschwand sie. Es tat nicht weh. Sie war einfach nicht mehr zu sehen. Ich
steckte vorsichtig den Kopf nach vorne. Es war nichts zu erkennen. Alles weiß.
Ich hatte Angst, ganz hineinzugehen. Vielleicht käme ich nie wieder zurück? Ich
überlegte, was es zu bedeuten hätte. Was stimmte mit meiner Welt nicht? Aber
mir fiel nichts ein. Ich ging wieder nach Hause. Am Abend lief ein Krimi im
Fernsehen, danach eine Nachrichtensendung.
Daniel F. Galouye beschreibt in seinem Roman
„Simulacron-3“ (1964) eine Welt voller simulierter Menschen in einer
simulierten Umgebung. Der Direktor dieser Simulation erkennt, dass auch er in
einer Simulation lebt. Welcome tot he next level. 1973 wurde das Buch von
Fassbinder verfilmt. Ich mag diese Eigentlich-ist-alles-ganz-anders-Storys. Als
ich das erste Mal „Matrix“ gesehen habe, war ich richtig geflasht.
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