Samstag, 9. Juli 2022

Die Zauberkraft des Kapitalismus


Der ökonomische Laie macht einen entscheidenden Fehler: Er betrachtet die Vorgänge in der Wirtschaft immer nur aus seiner persönlichen Perspektive. Es ist der Blick von einem Maulwurfshügel. Auf diese Weise sieht der Egozentriker nicht weit. Er hat nicht die gesamte Ökonomie und Gesellschaft vor Augen. Dazu kommt die lebenslange Angst um den eigenen Wohlstand, die Angst, im Leben zu kurz zu kommen. So lässt sich die Wut und der Neid in den Kommentarspalten und an den Stammtischen leicht erklären.

Ein einfaches Beispiel: Die Preise von Öl und Gas steigen. Das findet Holgi schlecht. Der Sprit ist teuer, die Heizkosten werden höher und Holgi denkt, jetzt geht die Wirtschaft den Bach runter. Liest er jeden Tag die sogenannten Alternativmedien, denkt er sogar, das Ende des Kapitalismus sei gekommen. Im Winter wird er frieren und muss ungeduscht mit dem Lastenfahrrad zur Stätte seiner Ausbeutung fahren. Aber Holgi irrt sich. Steigende Preise sind für die Gesellschaft eine großartige Nachricht.

Was passiert eigentlich genau, wenn die Preise für Öl und Gas steigen? Das gleiche Produkt kostet mehr. Es wird nicht mehr Öl und Gas gefördert, sondern mehr mit dem Verkauf verdient. Geld wandert also aus Holgis Brieftasche in die Schatullen der Scheiche und Oligarchen. In Moskau und Riad klingeln die Kassen. Aber was passiert mit dem Geld, dass die Scheiche und Oligarchen verdienen? Darüber hat Holgi noch nie nachgedacht. Deswegen ist er wütend, obwohl er sich doch freuen sollte.

Was macht so ein Scheich eigentlich mit dem Geld? Einen Teil gibt er aus und einen Teil investiert er. Er kauft sich teure Autos, riesige Yachten, lässt sich ein neues Haus bauen und seine fünfzig Ehefrauen gehen in Paris und Mailand shoppen. Er kauft Aktien, Anleihen und Edelmetalle. Mit der Preiserhöhung wurde neues Kapital geschaffen, das nun in der Welt zirkuliert. Das ist gut für die Wirtschaft. Das ist sogar gut für Holgi, dessen Ausbeuterbetrieb über fünfundzwanzig Ecken ebenfalls profitiert, weil er die Metallbügel für die Champagnerflaschen herstellt, die von den Scheichen und Oligarchen benötigt werden, um ihren Reichtum zu feiern.

Es ist derselbe Zauber wie bei der Vergabe von Krediten und Optionsscheinen durch Banken. Der Kapitalismus produziert Kapital wie die Bienenkönigin ihre Arbeiterinnen. Holgi bekommt demnächst eine fette Lohnerhöhung. Dann ist noch mehr Kapital im Umlauf. Die Maschinerie des Kapitalismus ist unsterblich, sie ist ein Perpetuum Mobile. Je mehr Geld in Umlauf ist, desto mehr kann gekauft werden. Je mehr gekauft wird, desto mehr kann produziert werden. Natürlich zerstört dieser Kapitalkreislauf die Natur, aber nicht den Menschen. Die Schweine werden nicht aussterben, nur die nutzlosen Tierarten. Erderwärmung? Klimaanlagen und Erdbeereis. Sauerstoffmangel, weil die Wälder sterben? Sauerstofffabriken. Es ist doch sowieso obszön, dass das Atmen noch umsonst ist.

Air Bonetti arbeitet bereits an einem Verfahren. Wir werden das Produkt Breath & Go nennen. Als wir in Davos die Corona-Pandemie beschlossen haben, hatte das einen einfachen Hintergrund. Die Menschen sollten sich an das Tragen von Masken gewöhnen. Statt Schutzmasken wird es Atemmasken geben. Ein kleiner Schlauch führt zu einer Sauerstoffflasche, die Sie bequem in Ihrer Jackentasche tragen können. Breath & Go wird es in jedem Supermarkt geben. In den Wohnungen, Büros, Geschäften und Restaurants wird der Sauerstoff über die Klimaanlage verteilt. Im September gehen wir an die Börse. Sichern Sie sich ein paar Aktien von Air Bonetti. Werden Sie Kapitalist!

Joan Jett & The Blackhearts - Crimson and Clover (1982) HD 0815007 - YouTube   





6 Kommentare:

  1. Da freut sich der COPD-Patient. Er ist endlich wieder einer, der dazugehört.

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  2. "Produkt Breath & Go" ein Plagiat!

    Gibt's schon ewig:

    https://fantotal.de/de/dose-plasticfantastic-original-berliner-luft

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    1. Mel Brooks hat in Spaceballs schon Perri-Air im Angebot gehabt.

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  3. Wenn die Scheichs und Oligarchen ihren Reichtum wenigstens ausgeben würde -- dazu ist der aber viel zu groß. Stattdessen fließen Unmengen Geld in einen sogenannten ,,Kapitalmarkt''. Die Folge davon: Wirtschaftsblasen, Börsencrashes.

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  4. Es reicht. Ich lass die Lunge ausbauen. Was genug ist, ist genug.

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