Samstag, 23. Juli 2022

Armut

 

Die Lobbyisten von den Sozialverbänden haben ausgerechnet, dass es 13,8 Millionen Arme in Deutschland gibt. Armut ist immer eine Frage der Definition. In der EU gilt man als arm, wenn man weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommens verdient. Das waren 2018 in Deutschland 3661 Euro. Wer also weniger als 2196 Euro im Monat zur Verfügung hat, gilt als arm. Ich finde, das ist viel Geld. Wer dann noch mietfrei in der eigenen Immobilie lebt und Geld auf der Bank hat, wird sich selbst sicher nicht als arm definieren.

Ein Beispiel zur beschränkten Aussagekraft des „Armutsberichts“: Der berühmte Dichterfürst Andy Bonetti gilt offiziell als arm, da er kein Einkommen hat. Bei seiner Krankenkasse ist er als Privatier gemeldet, der von seinen Ersparnissen lebt. Daher muss er auch nur den Mindestbeitragssatz von ca. 200 Euro zahlen. Langjährige Leser wissen aber, dass er ein Luxusleben in einer Villa mit zwölf Zimmern führt, einen riesigen Garten hat und Hilfskräfte beschäftigt, die ihn von der lästigen Haus- und Gartenarbeit entlasten. Wenn er in seiner Berliner Wohnung ist, geht er zweimal am Tag ins Restaurant und gönnt sich die besten Weine. Ich hoffe, ich bleibe immer so arm wie jetzt.

Im Ernst: Die Daten des SOEP, die im Auftrag des DIW erhoben werden, sind nur beschränkt aussagekräftig. Niemand kann die Angaben der Befragten überprüfen, das DIW ist nicht das FBI. Selbständige, Menschen mit Vermögen, Schwarzarbeiter und Steuerhinterzieher neigen dazu, die Aussage zu verweigern (die Umfrage ist freiwillig) oder zu lügen. Das ist ähnlich wie bei Umfragen zum Sexualleben oder zum Ernährungsverhalten. Jede Studie hat ihre methodischen Mängel, in diesem Fall z.B. das Ausblenden von Vermögen und solventer Verwandtschaft. Als Student habe ich zwei Jahre lang mein Geld in einem Call-Center verdient. Ich wusste nie, ob die Interviewten die Wahrheit sagten. Trotzdem gab es präzise und seriös wirkende Tabellen und Grafiken zu unseren Studien. Ich empfehle jedem, ein gesundes Misstrauen gegenüber amtlichen und anderen Statistiken zu entwickeln. Man könnte die Leute auch einfach direkt fragen, ob sie arm sind. Dann kommt man sicher zu völlig anderen Zahlen.  

Und falls sich jetzt irgendeine geföhnte Susi aufregt: Ich weiß, im Gegensatz zu den meisten Lesern dieses Blogs, was echte Armut ist. Ich war selbst mal Hartz IV-Empfänger und meine Mutter war eine alleinerziehende Putzfrau. Ich habe mit zwölf meinen ersten Job angenommen, Heimarbeit im Kinderzimmer. Denk mal drüber nach, Holgi, wenn du das nächste Mal am Stammtisch den SJW raushängen lässt. Die ganzen Leute, die sich in den Kommentarspalten über wachsende Armut aufregen, fahren einen Mittelklassewagen, haben einen Mittelklassejob und führen ein Mittelklasseleben. Die Armen haben Besseres zu tun.

Hurdy-Gurdy-Girls – Wikipedia

9 Kommentare:

  1. Es sind immer die "geföhnten Susis" oder Agathen (bei mir heißen die Agathe), die null Ahnung von der Materie haben, die sich aufregen. Ungelogen gönnen die einem die Coronatests in der Nase nicht. Und da sieht man einen Unterschied zwischen den finanziell und den emotional Armen: Die finanziell Armen haben tatsächlich Besseres zu tun, als anderen die Margarine auf dem Brot nicht zu gönnen. (Butter gibt es in diesem Haushalt nicht mehr, drei Euro im Schnitt kann ich mir von unter 400€ zum Leben echt nicht leisten.)

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    1. Übermorgen gibt es einen Text zu meinem Leben mit Hartz IV (damals auch unter 400 €).

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    2. Dann weiß ich, was ich übermorgen lese :)

      Vielleicht werde ich das Thema irgendwann, wenn ich wieder blogge mal erwähnen. Im Moment habe ich teilweise das Gefühl, dass es an diversen Stellen des Internets Leute gibt, das "zu interessant" finden, nur um sich dann drüber zu erheben. Weiß nicht ob das mit dieser Bewegung auf Twitter zu tun hat, die ja eigentlich was Gutes will, aber vermutlich auch viele Trolle und Susi-Agathen anziehen wird, die böse sind, dass die bösen Armen sich eine Packung Lollis für die Schultüte ihrer Kinder gekauft haben, weil die Susi-Agathen als nicht-arme Kinder in den 60er/70er/80er Jahren auch nicht zehn Lollis auf einmal bekommen haben. *räbäää * unfair, die Armen haben Luxus *räbäää *

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    3. Heil will ja Hartz IV in Bürgergeld umbenennen und am 1. Januar mehr zahlen. Bin schon gespannt. Da werden die Porsche-Fahrer wieder durchdrehen und vor Wut in den Perserteppich beißen :o)

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    4. Holgi vom FDP-SJW Stammtisch24. Juli 2022 um 08:00

      "Heil will ja Hartz IV in Bürgergeld umbenennen ..."

      und Lindner Volkswagen in Bürgerporsche.

      Un dann is dat doch wieder alles in blümeranter Butter mit der sozialen Gerechtigkeit.

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    5. @ Holgi

      Lindner hat mal in einem Fragebogen bei Religionszugehörigkeit "Porsche" angegeben.

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  2. Das werden sie. Insbesondere ein bestimmter Porsche-Fahrer. Das bisschen mehr, das es dann gibt wird nicht allzuviel an den gestiegenen Kosten auffangen, leider. Ich kenne mehrere Leute, die jetzt verzweifelt auf die Einmalzahlung gewartet haben (war medial angekündigt am 01. Juli, aber in Wahrheit schlecht formuliert/recherchiert) und die jetzt noch nicht haben.

    Aber klar, FickDenPöbel und Fans dieser Partei meinen jetzt, es sei bei Armen der Wohlstand ausgebrochen.


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  3. Mit 2196 Euro kommt man bestimmt nur knapp durch, muss immer rechnen und darf nicht über die Stränge hauen, aber Armut ist das in meinen Augen nicht.
    Was echte Armt bedeutet: "Als ihr Mann 1933 starb, musste sie sechs Kinder zunächst allein durchbringen. Die Aufnahme machte Dorothea Lange 1936 in einem kalifornischen Obdachlosencamp. Die Fotografin erfuhr von Thompson, dass die Familie im Winter gefrorenes Gemüse von den Feldern klaute und außerdem wilde Vögel aß, von den Kindern selbst getötet.
    In den Städten standen Obdachlose Schlange vor Suppenküchen und campierten in Elendslagern, den nach Roosevelts Vorgänger Herbert Hoover benannten Hoovervilles. Um ihren Eltern nicht zur Last zu fallen, zogen Heerscharen von Jugendlichen auf der Suche nach Arbeit durchs Land." (Spiegel.de)

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    1. In der Schweiz käme man damit nicht weit, schon klar ;o)

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