Blogstuff 916
Als Kind habe ich die Popeye-Comics gelesen und deswegen
auch immer brav meinen Spinat gegessen. Da gab es eine Figur namens J.
Wellington Wimpy, der verrückt nach Hamburgern war. Die deutsche Übersetzung
hat offenbar ein Bayer besorgt, denn im Comic hießen sie immer
Fleischpflanzerl. Nach dieser Figur ist die Fastfoodkette Wimpy benannt, die ab
1965 das erste Franchisesystem in Deutschland etabliert hat. Leider sind die
deutschen Filialen verschwunden. Try the Triple Wimpy Cheeseburger.
Früher waren wir alle viel ruhiger. Und warum? Weil wir
Kaugummi gekaut haben. Heute kaut niemand mehr Kaugummis und viele sind in
einem permanenten Wutzustand.
In meiner Jugendzeit kursierte in der linken Szene neben
vielen Flugblättern auch das Büchlein „Wege zu Wissen und Wohlstand oder:
Lieber krankfeiern als gesund schuften“. Es hat mir in meinem Berufsleben wertvolle
Dienste geleistet. Mein erster Vollzeit-Job begann im Januar 1986. Ich hatte im
Altenzentrum Ingelheim eine Stelle als Zivildienstleistender und sollte in der
Verwaltung mitarbeiten. An meinem ersten Arbeitstag brachte mich die Chefin
jedoch auf die Pflegestation, die gerade neu eröffnet worden war. Ich sollte
„vorläufig“ dort arbeiten, bis genügend Krankenschwestern eingestellt wären.
Daraus wurden Monate, schließlich musste ich nebenbei auch noch Arbeiten für den
Hausmeister erledigen. Im Herbst platzte mir der Kragen. Ich las das Buch und
suchte mir eine Krankheit aus, die zu meinem Berufsbild passte:
Lendenwirbelsyndrom. Ich lernte die Symptome auswendig und ging zum Hausarzt.
Er nahm mir die Show ab und schrieb mich vier Wochen krank. Ich besorgte mir
einen Termin bei der Amtsärztin in Bingen. Der zweite Auftritt verlief ebenso
erfolgreich und ich bekam ein Attest, das meine Untauglichkeit für den
Pflegedienst bestätigte. Die restlichen acht Monate war ich bei einer Kirche in
Mainz, betreute eine Kinderbastelgruppe und den Jugendkreis, läutete
gelegentlich sonntags die Glocken und hatte viel Freizeit.
Die meisten Ungerechtigkeiten im Leben bleiben ungesühnt
und werden schweigend beerdigt. Die Erinnerung daran trägt man aber wie einen
Rucksack voller Steine sein Leben lang mit sich. Einmal war es anders. Einen
Mann, der heute mit seiner Familie in Kanada lebt und in den Siebzigern in unserem
Mietshaus in Ingelheim wohnte, habe ich vor einigen Jahren über einen Freund
bei Facebook getroffen. Er hat mich als Kind richtig übel vermöbelt, mir mit
den Fäusten ins Gesicht geschlagen. Ich hatte überall Prellungen und
Blutergüsse. Er war drei Jahre älter und fast einen Kopf größer als ich. Meine
Mutter ist die Treppe hinuntergelaufen und hat seine Mutter zu Rede gestellt,
was damals bei Raufereien unter Jungs nicht üblich war. Über Facebook hat er
sich bei mir entschuldigt und ich habe ihm verziehen. Das war für uns beide ein
guter Moment. Schade, dass er so weit weg lebt. Ich hätte gerne mit ihm ein
Bier getrunken und über diese Episode gelacht. Könnten wir doch an jede
Ungerechtigkeit, an jede Beleidigung, an jeden Streit auf diese Weise einen
Haken machen.
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