Montag, 3. Oktober 2022

Das Hotel

 

Ich gebe zu, dass mein Fiat Barilla schon sehr alt ist. Da ich als freiberuflicher Knopfmacher in der aktuellen Wirtschaftskrise nicht allzu viel verdiene, habe ich schon lange keinen Ölwechsel mehr gemacht. Vielleicht war ich beim Antritt meiner Reise auch einfach zu optimistisch. Und ich habe den Hunsrück unterschätzt. Seine Einsamkeit. Den Mangel an Infrastruktur.

Jedenfalls machte der Motor irgendwann komische Geräusche. Erst ein Klopfen, dann gesellte sich ein Klappern dazu. Die Anzeige für die Motortemperatur stieg in den roten Bereich. Ich war gerade auf einer Landstraße mitten im Wald. Da ich kein Navi hatte, konnte ich auch nicht genau wissen, wo ich gerade war. Nirgendwo ein Schild, einfach nur Bäume. Viele, viele Bäume.

Ich wurde immer langsamer. Schließlich starb der Motor einfach ab und ich ließ mein Auto auf dem Seitenstreifen ausrollen. Ich blieb eine Weile schweigend sitzen. Fassungslos. Dann voller Selbstmitleid. Schließlich wütend auf das Leben, auf die ganze Welt und den verdammten Rest. Als ich mich wieder beruhigt hatte, holte ich mein Handy heraus. Irgendwo in der Nähe musste es doch eine Werkstatt geben. Kein Empfang.

Ich stieg aus. Die Sonne ging gerade unter. Bald würde es stockfinster sein. Ich ging los. Nach einer Weile kam ich an ein Schild, auf dem „Hotel“ stand. Ein Pfeil zeigte auf einen befestigten Weg, der durch den Wald führte. Vielleicht konnte ich dort übernachten und am nächsten Tag Hilfe holen? Ich lief etwa eine halbe Stunde, ungefähr zwei bis drei Kilometer. Dann sah ich auf einer Lichtung ein Gebäude.

Ich sah ein beleuchtetes Schild. Hotel Waldfrieden. Der Eingang hatte eine Tür mit Milchglaseinsatz, auf der das Wort „Rezeption“ mit goldenen Buchstaben geschrieben stand. Ich öffnete die Tür und trat ein. Hinter einem Holztresen saß ein junger Mann, der zu mir aufsah. Er fragte, ob ich ein Zimmer wünsche. Ich bejahte seine Frage und erklärte ihm mein Pech mit dem Wagen. Er sagte, es sei kein Problem. Er würde einen Mechaniker aus der nahegelegenen Kleinstadt anrufen, der am nächsten Morgen sicher vorbeikäme.

Er gab mir einen Schlüssel und ich ging auf mein Zimmer. Es war einfach, aber modern eingerichtet. Doppelbett, Schrank, Fernseher und Dusche. Kein Telefon. Ich zog die Schuhe aus und legte mich aufs Bett. Bald darauf war ich bei Markus Lanz eingeschlafen.

Als ich am nächsten Morgen das Zimmer verlassen wollte, war die Tür verschlossen. Die Klinke ließ sich nicht bewegen. Mein Schlüssel war verschwunden. Ich ging zum Fenster und zog die Vorhänge weg. Dann öffnete ich das Fenster. Auf eine massive Wand war eine Fototapete aufgeklebt, die einen Wald zeigte.

Das war vor drei Monaten. Jetzt arbeite ich für Elon Musk. Gemeinsam mit ein paar tausend anderen Angestellten arbeiten wir an einem hochgeheimen Projekt. Mondbasis Tesla 1. 2030 möchte der Chef auf den Mond umziehen. Ich entwerfe und baue die Knöpfe für das Schaltpult der Station. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen