Sandro
Kuschinski, Malergeselle aus Hohenschönhausen, war seit Monaten auf
Wohnungssuche. Aber die Wohnungsnot in der Hauptstadt ist groß. Gleichzeitig
machten wegen der Energiekrise zahlreiche Bäcker ihre Läden dicht.
Da kam
ihm eine großartige Idee: Warum nicht eine Bäckerei pachten und dort einziehen?
Gesagt, getan. Der Vermieter war heilfroh, in der Wirtschaftskrise einen neuen
Pächter gefunden zu haben. Kuschinski richtete sein neues Zuhause ein. Der
Verkaufsraum wurde sein Wohnzimmer. Die Backstube sein Schlafzimmer. Eine
Toilette mit Dusche war vorhanden. Kleiderschrank und Waschmaschine landeten im
Lagerraum, wo er auch seinen restlichen Kram verstaute.
Nun
saß er jeden Abend hinter der großen Schaufensterscheibe, sah Fernsehen oder
surfte im Internet, knabberte Salzstangen und ging zum Kühlschrank, um sich ein
neues Bier zu holen.
Bald
darauf war er die große Attraktion in seinem Viertel. Die Leute standen vor dem
Schaufenster und beobachteten ihn. Er war bekannt wie ein bunter Hund.
Schließlich kamen Leute aus ganz Berlin und auch Touristengruppen, die eine
Berlin-Reise gebucht hatten. Kuschinski störte es nicht. Sollnse glotzen,
dachte er sich und kratzte sich behaglich den Hintern.
Nach
nur vier Wochen, für Berliner Verhältnisse geradezu in Lichtgeschwindigkeit,
tauchte ein Behördenmensch mit Hornbrille und Aktentasche bei ihm auf. Die
Bäckerei sei eine Gewerbefläche und keine Wohnfläche, erklärte er Kuschinski
und zitierte diverse Paragraphen aus einer Verordnung.
Aber
Kuschinski war nicht blöd. Er erklärte dem Beamten, dies sei ein Kunstprojekt.
Ein Happening. Eine lebende Installation. Der einfache Bürger als Zentrum der
Gesellschaft. Heavy Message und so. Er würde mit dem Projekt demnächst in New
York und Tokio weitermachen. Anfragen lägen bereits vor. Zuständig sei also die
Senatsverwaltung für Kultur.
Und
wenn er nicht gestorben ist, schläft er noch heute vor dem Backofen.
Diese Geschichte gefällt mir gut. Ich lese hier übrigens jeden Tag.
AntwortenLöschenVielen Dank :o)
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