Ich habe mal nachgeschaut, was
aus meinen alten Stammkneipen geworden ist. Pony Express, Hobo, Eule und die
Diskothek Strange Machine, kurz Club genannt. Alles in Ingelheim ist längst
verschwunden. Das wusste ich schon. Auch das Gasthaus zur Pfalz, der Hinkelstall
und die Bierpumpe in Schweppenhausen sind Vergangenheit. Aber was ist mit
meinen Berliner Stammkneipen aus den neunziger Jahren geworden? Gott schütze
unser Internet. Es gibt mir alle Informationen, die ich brauche.
Die Morena-Bar in der Wiener Straße,
direkt am Görlitzer Park, gibt es nicht mehr. Ich wohnte damals auf der anderen
Seite des Parks. Görlitzer Straße 41, Ecke Cuvrystraße. Die Morena-Bar war mir
deswegen sympathisch, weil hier Susi aus Ingelheim bediente, die vorher im Pony
Express gearbeitet hatte. Sie war nach Berlin gekommen, um Schauspielerin zu
werden. Es sind damals so viele Leute in die Stadt gekommen. Volker aus
Schweppenhausen, der in einem besetzten Haus im Prenzlauer Berg lebte und den es inzwischen nach Amsterdam verschlagen hat. Norbert und Annette aus Ingelheim
kamen schon im Frühling 1989 und lebten ebenfalls in SO 36. Georg aus
Gau-Algesheim, gelernter Bäcker und Sänger einer hoffnungslosen Provinzband*,
kam kurz nach dem Mauerfall im Januar 1990. Er ging ebenfalls auf eine
Schauspielschule, verdiente sein Geld als Briefträger und lebt inzwischen als
Thalia-Knecht im Saarland.
In seiner Straße, der
Manteuffelstraße, war der Intertank, ein dunkles Kellerloch, in dem es
eigentlich nur Beck’s aus der Flasche und laute Musik gab. Die Kneipe gibt es
immer noch, wurde inzwischen aber upgegradet. Und dann war da noch das Kloster
in der Skalitzer Straße, am Schlesi. Die Wirtin war eine Bilderbuchpunkerin
namens Elke. Auf der rechten Seite ihrer halbkreisförmigen Theke standen Sven
Regener und die Element of Crime, auf der linken Seite Georg, der kleinwüchsige
und großmäulige Ruhrpottkanake Jochen – der Einzige von uns, der es tatsächlich
nur bis zum Taxifahrer gebracht hat, obwohl er auch nicht verpeilter war als
wir – und ich sowie ein schüchterner und schweigsamer Buchhändler, den es aus
Dithmarschen nach Berlin verschlagen hatte und dessen Namen ich nicht mehr
weiß. Gelegentlich gesellte sich auch Westbesuch zu uns. Leider gibt es das
Kloster nicht mehr. Elkes Mann war an Krebs erkrankt und sie musste sich um ihn
kümmern. Aber zu diesem Zeitpunkt war ich ohnehin eher in Schöneberger
Cocktail-Bars wie dem Green Door oder Mister Hu zu finden.
Und dann fiel mir plötzlich noch
das Easy Going in Maastricht ein, der erste Coffee Shop meines Lebens, Ende der
Achtziger. Martin und ich kauften allerfeinstes Dope für einen Hunderter und
der Wirt lud uns zu einer Bong ein. Er machte den Klumpen nicht heiß und
bröselte dann was ab, sondern säbelte mit einem riesigen Messer alles ab, was
er für die Mischung brauchte. Wir waren anschließend so begeistert, dass wir
nochmal für fünfzig Mark Dope gekauft haben. Das war natürlich viel zu viel für
die paar Tage am Meer. Ich kann mich auch nicht mehr an viel erinnern. In die
letzte Tüte haben wir mindestens ein Gramm reingebaut und sie auf der Rückfahrt
fünfhundert Meter vor der Grenze geraucht. Als Martin sein Fenster bei der
Ausweiskontrolle öffnete, kam dem Polizisten eine Cheech&Chong-mäßige
Qualmwolke entgegen. Sie haben den ganzen Wagen gefilzt, und wir haben
britzebreit danebengestanden und gegrinst. Das Easy Going gibt es heute noch.
* Die Band hieß Georg und die
Bärchen. Da wird es gegen Extrabreit und Fehlfarben natürlich schwer. Die
deutschen Texte schrieb ein schielender Keyboarder, der heute Germanistik-Professor
in Polen ist. Aber viel schlimmer war eine Gruppe namens Dan Tanner, die nach
der Hauptfigur der zu Recht vergessenen US-Serie Vegas benannt war und die
eigentlich Dan Tanna hieß. Als ich es dem Gitarristen mal abends bei einem Bier
erklärte, zuckte er nur mit den Schultern und meinte, jetzt sei es sowieso zu
spät. Über vierzig Jahre spielten sie auf Gummistiefeldiscos dieselben
Cover-Nummern und selbst dann musste der adipöse Sänger „Sweet Home Alabama“
noch vom Blatt ablesen, weil er sich keine Texte merken konnte.
Die Morena Bar hieß ursprünglich "Nachtcafè Marabu", oder? Habe von 1981 bis 85 in der Görlitzer 38 gewohnt.
AntwortenLöschenAls ich Anfang 91 nach Kreuzberg gezogen bin, hieß es Morena-Bar. Für 81 bis 85 empfehle ich "Wiener Straße" von Sven Regener ;o)
LöschenIm Intertank nur Bier? Komisch. Wir sind da hin zum gepflegten Vorgehen. Immerhin verfügte das Intertank über eine spektakulär umfangreiche Cocktailkarte. Die Holztafeln sind im Keller zu besichtigen.
AntwortenLöschenEs gab keine Standardcocktails, wie in Bars oder Hotels.
Die Drinks waren keine großen Eimer, aber köstlich und bezahlbar.
Mein Favorit war der "Dr. Brinkmann-Spezial". Perfekt verflüssigte Schwarzwaldes Kirschtorte. Yummy.
Zu meiner Zeit war es ein Kellerloch mit Selbstbedienung. Aber auf meine Erinnerungen würde ich keine Wette abschließen ...
LöschenIn der Görlitzer Straße gab es (und gibt es noch?) auch das Club Culture Houze. Nicht eine Kneipe im engeren Sinne, jedenfalls mit hohem Unterhaltungswert. Das waren Zeiten.
AntwortenLöschen... warum tut ihr euch das an?
AntwortenLöschenAn die Läden und die darin verbrachten Abende zu denken — dabei alleine und alt mit "Haaransatz" und Wampe zuhause zu sitzen — nun gut, nen besseren Grund ein Sixpack Chardonnay anzubrechen und ne große Marlboro zu vernichten kenne ich auch nicht so auf Anhieb.
Hoffentlich ist genügend JJCale im Haus ...
Gruß
Jens
Du warst eben nicht dabei :o)
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