Mittwoch, 19. Oktober 2022

Die Brotfresser kommen

 

Es kommt derzeit vermehrt zu Schließungen von Bäckereien. Im Brotland Deutschland löst jede geschlossene Bäckerei tiefsitzende Ängste aus. Aber: Schon seit Jahrzehnten schließen regelmäßig kleine Bäckereien und die großen Ketten wachsen von Jahr zu Jahr. Allein im Vorkriegsjahr 2021 schlossen etwa 600 Bäckereien in Deutschland.

Die Arbeitszeiten sind ein großes Problem. Wer will schon um zwei Uhr nachts aufstehen? Aber ungelernte Hilfskräfte für die Aufbäckereien, die nur die Fabrikrohlinge in den Ofen schieben müssen, findet man immer. Die kleinen Handwerksbetriebe finden einfach keine Nachfolger mehr. Die Kinder des Bäckermeisters gehen womöglich lieber auf die Uni. Die Leute kaufen das Billigbrot, v.a. Toastbrot, im Supermarkt und sparen sich den Weg zum Bäcker.

Nur wenige Bäcker können sich diesem Konzentrationsprozess entziehen. Ich kenne ein Beispiel: Die Nachbarin meines Vaters in Bingen. Sie hatte mit ihrem Mann 1971 die Bäckerei vom Großvater übernommen und ihr Unternehmen beschäftigt inzwischen über tausend Mitarbeiter in 51 Filialen (+ Brotfabrik). Dieses Ehepaar hat den Spieß umgedreht. Sie sind nicht aufgekauft worden, sie haben Betriebe übernommen, die aufgegeben wurden. Heute ist die Nachbarin Witwe, hat die Geschäftsleitung an kompetente Frauen übergeben und genießt das Leben.

Das Brot wird uns nicht ausgehen, es wird nur teurer. Dann kostet das Kilo nicht mehr zwischen drei und vier Euro, sondern eben zehn Euro. Wie viel Brot essen wir? Hundert Gramm am Tag? Dann reicht ein Kilo also für zehn Tage. Wir kaufen drei Brote im Monat und geben statt zehn Euro eben dreißig Euro im Monat aus. Ein Euro am Tag für Brot. Ist das der Weltuntergang? Das Ende des Brots as we know it? Keine Panik, Holgi. In der allergrößten Not schmeckt die Wurst auch ohne Brot.

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