Dienstag, 25. Oktober 2022

Warum ich mit der Linken seit langem abgeschlossen habe

 

Das Hauptproblem der Linken, die Klassenfrage durch die Identitätsfrage zu ersetzen, habe ich schon in meiner Zeit als Kiezschreiber 2008 bis 2011 erleben dürfen. Ich arbeitete damals in einem Quartiersmanagement im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“. Wir waren in einem sozialen Brennpunkt im Wedding angesiedelt. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung im Kiez war auf Transferleistungen angewiesen. Arbeitslosengeld, Rente, Hartz IV. Hoher Anteil von Migranten und Armen.

Das Quartiersmanagement bestand aus linksalternativen Akademikern. Die Chefin eine sächsische Kampflesbe, Geisteswissenschaftler und ein Quoten-Afghane. Dazu ein paar Ein-Euro-Jobber fürs Grobe. Für die Kiezbewohner hat sich keiner von ihnen richtig interessiert; sie blieben den ganzen Tag in ihren Büros, wie es in der Berliner Bürokratie üblich ist. Die Bevölkerung hat das Büro auch im Großen und Ganzen ignoriert. Aber die woken Linken haben ihre Ideen verwirklicht. Alle Texte mussten gegendert werden. Im Kiezmagazin ging es nie um soziale Probleme im Kiez, sondern besonders gerne um Blumen und anderes Grünzeug, weil die Chefin im Bereich Urban Gardening aktiv war. Für die Homepage lieferte ich jede Woche Berichte von „draußen“.

50.000 Euro Fördermittel für eine „Bürgerstiftung Wedding“ wurden in den Sand gesetzt, weil die Akademiker, von denen keiner im Kiez gelebt hat, es nicht geschafft haben, den Kontakt zu den Multiplikatoren vor Ort herzustellen, beispielsweise zum Vorsitzenden der türkischen Community. Die Quartiersmanager, hauptsächlich Frauen, haben sich und ihre Interessen einfach selbst verwirklicht. Selbstverständlich wurde jeden Mittag vegan gekocht, die Carnivoren mussten das klaglos hinnehmen. Damals habe ich die Currybaude am Bahnhof Gesundbrunnen für mich entdeckt. Der Hit war ein benachbartes Kulturbüro mit drei Vollzeit-Planstellen, das in dieser Zeit (drei Jahre!) bis auf ein paar Ausstellungen in den eigenen Räumen überhaupt nichts geleistet hat.

Der Tiefpunkt war eine AG, die Sprachregelungen für das Kiezmagazin festlegen sollte. In der Folge schrieb, bis auf eine Frau, die ihr Geld damit verdienen musste, niemand mehr für das Magazin. Hier ein Textausschnitt, den ich 2013 in diesem Blog veröffentlicht habe:

Die Quartiersmanager (d.h. die Herausgeber) waren inzwischen in einer eigenen Arbeitsgruppe eifrig damit beschäftigt, einen schriftlichen Kanon für dringend benötigte Gastbeiträge zu entwerfen (welche Worte erlaubt seien und welche nicht, wie der Plural zu formulieren sei, welche Themen, Organisationen und Personen tabu wären, „Gender“ und biographischer bzw. ethnologischer Hintergrund der Bewerber, Anzahl der Korrekturschleifen bis zur einer möglichen honorarfreien Veröffentlichung, in welchen Fremdsprachen sollen Abstracts zu den Artikeln ins Blatt, in welchen nicht und warum nicht, ist das schon Diskriminierung oder ist allein das deutsche Wort „Fremdsprache“ ein faschistischer Dämon, der uns mit maliziösem Lächeln und selbstverständlich alternativlos in den Orkus des Vierten Reiches hinab stößt usw. ad infinitum – das umfangreiche Konvolut ist bis heute unter Verschluss und ist von zahllosen Mythen und Legenden innerhalb des Berliner Projektuniversums umrankt), der dem „Neuen Deutschland“ in seinen erfolgreichsten Zeiten zur Ehre gereicht hätte. In einer Debatte mit den Quartiersmanagern (hauptsächlich Innen) ging es beispielsweise um die Formulierung „eine türkische Familie“ in einer Spielplatzbeschreibung. Total harmlos. Wir sind im Wedding. Das soll vorkommen, dass auch Menschen ohne Ariernachweis auf den hiesigen Spielplätzen anzutreffen sind. Ist das Adjektiv „türkisch“ schon für sich genommen eine Diskriminierung, eine Ausgrenzung, ein Zeichen von Unverständnis? Zehn Erwachsene streiten eine ganze Stunde lang, es wird laut, Tränen fließen. Wäre die Diskussion anders verlaufen und hätte es weniger Aufregung gegeben, wenn die Formulierung „eine schwedische Familie“ gelautet hätte? Keiner weiß das. Schließlich heißt es nur noch „eine Familie“, die betroffene Kollegin ist sprachlos. Das Quartiersmanagement hat gesprochen.

Seither wird in meinen Texten nicht mehr gegendert, Lifestyle-Identitätspolitik bei gleichzeitiger Ignoranz gegenüber den offensichtlichen sozialen Problemen im unmittelbaren Umfeld kotzt mich einfach nur an und Linke nehme ich nicht mehr ernst. Hoffentlich gründet Wagenknecht eine eigene Partei und spaltet den kläglichen Rest. Herzliche Grüße an die Judäische Volksfront.




 

5 Kommentare:

  1. Gewisse Linke sind so links, dass sie ganz rechts wieder hervor gucken. Und dann bringen sie die Krone-Schmalz oder Tucker Carlson...

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    1. Oder sie bringen Querdenker-Geplärre wie "Das Ende der Meinungsfreiheit". Nix darf man mehr sagen. Gar nix. Essen ist wie Teheran :o)))

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    2. Querdenker-Innen-Geplärre. Wegen Geschlechergerechtigkeit!

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  2. Und wie immer haben sie alles kommen sehen. Alle doof ausser ihnen...

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    1. Wenn ich nicht so ein Schlafschaf wäre, wüsste ich ja auch, dass abwechselnd die Revolution oder der Faschismus vor der Tür steht. Hauptsache Dauerpanik.

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