Das Hauptproblem der Linken, die
Klassenfrage durch die Identitätsfrage zu ersetzen, habe ich schon in meiner
Zeit als Kiezschreiber 2008 bis 2011 erleben dürfen. Ich arbeitete damals in
einem Quartiersmanagement im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“. Wir waren in
einem sozialen Brennpunkt im Wedding angesiedelt. Mehr als die Hälfte der
Bevölkerung im Kiez war auf Transferleistungen angewiesen. Arbeitslosengeld,
Rente, Hartz IV. Hoher Anteil von Migranten und Armen.
Das Quartiersmanagement bestand
aus linksalternativen Akademikern. Die Chefin eine sächsische Kampflesbe,
Geisteswissenschaftler und ein Quoten-Afghane. Dazu ein paar Ein-Euro-Jobber
fürs Grobe. Für die Kiezbewohner hat sich keiner von ihnen richtig interessiert;
sie blieben den ganzen Tag in ihren Büros, wie es in der Berliner Bürokratie
üblich ist. Die Bevölkerung hat das Büro auch im Großen und Ganzen ignoriert.
Aber die woken Linken haben ihre Ideen verwirklicht. Alle Texte mussten gegendert
werden. Im Kiezmagazin ging es nie um soziale Probleme im Kiez, sondern besonders
gerne um Blumen und anderes Grünzeug, weil die Chefin im Bereich Urban
Gardening aktiv war. Für die Homepage lieferte ich jede Woche Berichte von
„draußen“.
50.000 Euro Fördermittel für
eine „Bürgerstiftung Wedding“ wurden in den Sand gesetzt, weil die Akademiker,
von denen keiner im Kiez gelebt hat, es nicht geschafft haben, den Kontakt zu
den Multiplikatoren vor Ort herzustellen, beispielsweise zum Vorsitzenden der türkischen
Community. Die Quartiersmanager, hauptsächlich Frauen, haben sich und ihre
Interessen einfach selbst verwirklicht. Selbstverständlich wurde jeden Mittag
vegan gekocht, die Carnivoren mussten das klaglos hinnehmen. Damals habe ich
die Currybaude am Bahnhof Gesundbrunnen für mich entdeckt. Der Hit war ein benachbartes
Kulturbüro mit drei Vollzeit-Planstellen, das in dieser Zeit (drei Jahre!) bis
auf ein paar Ausstellungen in den eigenen Räumen überhaupt nichts geleistet
hat.
Der Tiefpunkt war eine AG, die
Sprachregelungen für das Kiezmagazin festlegen sollte. In der Folge schrieb,
bis auf eine Frau, die ihr Geld damit verdienen musste, niemand mehr für das
Magazin. Hier ein Textausschnitt, den ich 2013 in diesem Blog veröffentlicht
habe:
Die
Quartiersmanager (d.h. die Herausgeber) waren inzwischen in einer eigenen
Arbeitsgruppe eifrig damit beschäftigt, einen schriftlichen Kanon für dringend
benötigte Gastbeiträge zu entwerfen (welche Worte erlaubt seien und welche
nicht, wie der Plural zu formulieren sei, welche Themen, Organisationen und
Personen tabu wären, „Gender“ und biographischer bzw. ethnologischer
Hintergrund der Bewerber, Anzahl der Korrekturschleifen bis zur einer möglichen
honorarfreien Veröffentlichung, in welchen Fremdsprachen sollen Abstracts zu
den Artikeln ins Blatt, in welchen nicht und warum nicht, ist das schon
Diskriminierung oder ist allein das deutsche Wort „Fremdsprache“ ein
faschistischer Dämon, der uns mit maliziösem Lächeln und selbstverständlich alternativlos
in den Orkus des Vierten Reiches hinab stößt usw. ad infinitum – das
umfangreiche Konvolut ist bis heute unter Verschluss und ist von zahllosen
Mythen und Legenden innerhalb des Berliner Projektuniversums umrankt), der dem
„Neuen Deutschland“ in seinen erfolgreichsten Zeiten zur Ehre gereicht hätte.
In einer Debatte mit den Quartiersmanagern (hauptsächlich Innen) ging es
beispielsweise um die Formulierung „eine türkische Familie“ in einer
Spielplatzbeschreibung. Total harmlos. Wir sind im Wedding. Das soll vorkommen,
dass auch Menschen ohne Ariernachweis auf den hiesigen Spielplätzen anzutreffen
sind. Ist das Adjektiv „türkisch“ schon für sich genommen eine Diskriminierung,
eine Ausgrenzung, ein Zeichen von Unverständnis? Zehn Erwachsene streiten eine
ganze Stunde lang, es wird laut, Tränen fließen. Wäre die Diskussion anders
verlaufen und hätte es weniger Aufregung gegeben, wenn die Formulierung „eine
schwedische Familie“ gelautet hätte? Keiner weiß das. Schließlich heißt es nur
noch „eine Familie“, die betroffene Kollegin ist sprachlos. Das
Quartiersmanagement hat gesprochen.
Seither wird in meinen Texten
nicht mehr gegendert, Lifestyle-Identitätspolitik bei gleichzeitiger Ignoranz
gegenüber den offensichtlichen sozialen Problemen im unmittelbaren Umfeld kotzt
mich einfach nur an und Linke nehme ich nicht mehr ernst. Hoffentlich gründet
Wagenknecht eine eigene Partei und spaltet den kläglichen Rest. Herzliche Grüße
an die Judäische Volksfront.
Gewisse Linke sind so links, dass sie ganz rechts wieder hervor gucken. Und dann bringen sie die Krone-Schmalz oder Tucker Carlson...
AntwortenLöschenOder sie bringen Querdenker-Geplärre wie "Das Ende der Meinungsfreiheit". Nix darf man mehr sagen. Gar nix. Essen ist wie Teheran :o)))
LöschenQuerdenker-Innen-Geplärre. Wegen Geschlechergerechtigkeit!
LöschenUnd wie immer haben sie alles kommen sehen. Alle doof ausser ihnen...
AntwortenLöschenWenn ich nicht so ein Schlafschaf wäre, wüsste ich ja auch, dass abwechselnd die Revolution oder der Faschismus vor der Tür steht. Hauptsache Dauerpanik.
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