Dienstag, 2. Februar 2016

Aus dem Orchestergraben

„Denn wer das Grundvertrauen in Süddeutsche, Spiegel & Co. infrage stellt, darf keine Liebkosungen erwarten. Mächtige gesellschaftliche Institutionen haben kein Interesse daran, infrage gestellt zu werden. Das gilt auch für moderne Massenmedien. Wer in den 60er Jahren den Vietnamkrieg und die Rolle westlicher Medien kritisierte, wurde als ‚antiamerikanisch‘ diskreditiert. Wer den offiziellen Diskurs über die ‚Angriffe auf den Wohlfahrtsstaat‘ attackiert, ob nun als Agenda 2010 oder ‚Griechenlandrettung‘ maskiert, dem werden ideologische Kreuzzüge unterstellt. Bei der Ukraine-Krise landet man schnell neben Putin und Menschenrechtsverletzungen, früher waren es Stalin und der Gulag. Bei der Kritik an den Massakern der israelischen Regierung im Gazastreifen und deren medialer Präsentation wird rituell eine neue ‚Welle von Antisemitismus‘ ausgemacht. Und wer nach 9/11 in Vorbereitung auf den US-geführten Luftkrieg gegen Afghanistan nur leicht vom offiziellen Meinungskurs abwich, fand sich als Terroristen-Versteher einsortiert.“ (David Goeßmann)
Rührend ist wieder einmal die Debatte um die Unabhängigkeit des Journalismus in den Massenmedien, zu der man dieser Tage recht Erbauliches und Amüsantes lesen kann. Machen wir es kurz: Journalismus ist nicht unabhängig. Sollte es unabhängige Journalisten geben, so erfahren wir von ihnen nichts in den Massenmedien. Wir müssen uns schon selbstständig auf die Suche nach ihren Berichten und Kommentaren im Internet machen.
Die Massenmedien sind entweder von wenigen Konzernen kontrolliert, wenn sie der Privatwirtschaft angehören. Oder sie sind von den politischen Parteien kontrolliert, wenn sie öffentlich-rechtlich sind. Dazu gibt es ein Urteil vom Bundesverfassungsgericht zur gebotenen Staatsferne, die offenbar nicht eingehalten wurde. Seit dem 1.1.2016 muss daher die Zusammensetzung der Fernseh- und Rundfunkräte verändert werden, um den Einfluss der Parteien zu begrenzen.
Wenn wir uns die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender genauer betrachten, so sind sie seit den Tagen meiner Kindheit immer fest in der Hand bestimmter Parteien. Die ARD als Zusammenschluss der föderal organisierten Anstalten ist ein Flickenteppich politischer Interessen, der den jeweils herrschenden Parteien in den Bundesländern entspricht: WDR und Radio Bremen sind SPD, Bayrischer Rundfunk ist CSU, MDR ist CDU usw.
Ein Sonderfall ist das ZDF. Adenauer hätte gerne ein eigenes Staatsfernsehen des Bundes gehabt, als Gegenstück zu den Landesrundfunkanstalten der Ministerpräsidenten. Das Bundesverfassungsgericht erlaubte es ihm nicht und so entstand als Ergebnis eines Staatsvertrags der Bundesländer das ZDF nach dem Prinzip der Landesrundfunkanstalten. Damit es aber dennoch Adenauers Sender wurde, siedelte man es im konservativen Süden der Republik an. In einer kleinen Provinzstadt namens Mainz. Warum nicht in einer Großstadt?
München war zum Zeitpunkt des Staatsvertrags (1961) bzw. des Sendebeginns (1963) von Hans-Jochen Vogel (SPD) regiert, Hamburg von Paul Nevermann (SPD), West-Berlin von Willy Brandt (SPD), Köln von Theo Burauen (SPD) und Frankfurt am Main von Werner Bockelmann (SPD). In Rheinland-Pfalz regierte von 1947 bis 1969 Peter Altmeier, ihm folgte Helmut Kohl. Auf diesen Standort konnte sich Adenauer verlassen, in der katholischen Provinz gab es keine kritischen Intellektuellen wie in den Metropolen. Mainz hat, begünstigt durch die Eingemeindung zahlreicher Dörfer, heute etwa zweihunderttausend Einwohner (1961: 135.000). Es gibt warme Mahlzeiten, die Straßen sind geteert und an zentralen Orten hat man Laternen aufgestellt. Das war’s aber auch schon. Das ZDF ist bis heute ein CDU-Sender geblieben und sendet in alter Regierungstreue an jedem Tag, den der Weltgeist werden lässt, pro Merkel.
Roland Koch (CDU), damals Ministerpräsident in Hessen, konnte es sich erlauben, Nikolaus Brender (ein Renegat, der die Junge Union verlassen hatte und danach parteilos blieb) als Chefredakteur zu schassen. „Es darf nicht sein, dass parteipolitische Seilschaften wieder versuchen, nach parteipolitischen Kriterien Journalistenposten im ZDF zu bestimmen“, schrieb ZDF-Moderator Klaus Kleber damals (Hervorhebung durch den Autor, M.E.). In einem Protestbrief, dem sich alle Hauptredaktionsleiter und bekannte Köpfe des ZDF anschlossen, wurde vor „dem schwerwiegende(n) Eingriff in die Rundfunkfreiheit“ gewarnt. Genutzt hat es bekanntlich nichts, immer wieder hört man von Beschwerdeanrufen hoher Politiker und deren Einflussnahme auf die politische Berichterstattung.
Das ist der Blick in den Orchestergraben dieser Republik. Und wenn Sie glauben, sie wären mit ihren Rundfunkgebühren oder ihren paar Groschen am Kiosk der Dirigent, ist Ihnen auf dieser Welt auch nicht mehr zu helfen.
Depeche Mode - Waiting for the Night. https://www.youtube.com/watch?v=oesHaIizRjA

2 Kommentare:

  1. Ein Link zu FJS: http://www.br.de/unternehmen/inhalt/geschichte-des-br/manuskript-aus-erster-hand100.html
    (Volksbegehren Rundfunkfreiheit)

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    1. "Das musste einmal gesagt werden!" Ja, dieser Mann konnte noch reden. Das war ein Feind nach meinem Geschmack. Die Bundestagswahl 1980 war ja die erste, die ich bewusst mitgekriegt habe. FJS war der Beelzebub - nicht nur in unserer evangelischen Angestelltenfamilie.

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