Natürlich war uns allen klar,
dass es unser Dorfleben verändern würde, als ein großes Tourismusunternehmen
beschloss, unseren Ort ins Programm „Germany in seven days“ aufzunehmen. Die
Tragweite dieser Entscheidung wurde uns aber erst später bewusst.
Natürlich hat Wichtelbach
einiges zu bieten. Wir haben Fachwerkhäuser, Bauern auf Traktoren, einen
Weinberg und eine malerische Mühle, die am Bach steht. Was seit langem fehlt,
ist eine Dorfkneipe und ein Tante-Emma-Laden. Die Gebäude stehen seit Jahren
leer. Das ist natürlich nicht so schön, wenn zwei Mal in der Woche eine
Busladung Japaner, Texaner und Inder an der Hauptkreuzung ins Freie gelassen
wird.
Also wurde der alte Finkenkrug
wieder hergerichtet. Es gibt Heineken-Bier vom Fass, ansonsten Tee, Kaffee und
Softdrinks. Vier glückliche Männer bekommen hundert Euro die Woche, wenn sie
zwei Stunden lang am Tresen sitzen und Freibier trinken, während der fünfte
Mann den Gastwirt spielt. Das wirke „authentisch“, wie man mir versicherte. Im
wiedereröffneten Tante-Emma-Laden verkauft eine wohlbeleibte Bauersfrau mit
roten Bäckchen Souvenirs, Kuchen und belegte Bagels.
Drei Rentner, darunter auch ich,
werden dafür bezahlt, schweigend auf einer Bank zu sitzen. Die Schiebermützen
und Spazierstöcke wurden uns vom Unternehmen gestellt. Alle fünfzehn Minuten
donnert Bauer Schubert auf seinem Traktor die Dorfstraße entlang. Im Weinberg
steht der Winzer, der sich vertragsgemäß den Schweiß von der Stirn wischt, wenn
der Bus vorbeikommt. Auch im tiefsten Winter.
Die Touristen aus aller Welt
sind begeistert von dem typisch deutschen Dorf. Nirgendwo Computer oder junge
Leute mit Handys. Es wird viel fotografiert. Natürlich lächeln wir nicht, wenn
wir auf unserer Bank sitzen. Das hat uns der Marketing-Chef gleich am ersten
Tag eingeschärft. Es muss schließlich echt wirken. Mit dem gleichen Konzept
hätte man bereits bei den Massai in Kenia, den Apachen in den USA und
lamaistischen Mönchen in Nordindien große Erfolge erzielt.
Ich spiele die Rolle des
Deutschen sehr gern. Sie ist mir wie auf den Leib geschneidert. Aber wenn ich
ganz ehrlich bin, hätte ich am liebsten die Rolle des Schriftstellers im
Berliner Szenecafé (letzter Reisetag).
Ich wohnte einst tatsächlich in einem touristischen Ort.
AntwortenLöschenWitziges Gefühl, wenn Japaner, oder waren es Chinesen, Amis oder sonst was unter der Gartenterasse vorbeischlenderten.
Wir oben, wie Glumm es beschreibt, am Kiffen und Saufen.
Einer der Kumpels hatte es mit Muskeln, es stolzierte immer in Badehose am Geländer rum und zeigte sich. Eigentlich affig, trotzdem lustig.
Das war dann das Bild, daß das Ausland von Deutschland erhielt.
Somit habe ich immer vollstes Verständnis, wenn ich selber im Ausland irgendwo Einheimische im Garten oder auf der Terasse sehe.
Der Schriftsteller macht das Café doch erst zur Szene. ZUM BLAUEN EBERLING.
AntwortenLöschen"Der blaue Eberling ist ein zentrales Symbol der Romantik. Er steht für Sehnsucht und Liebe und für das metaphysische Streben nach dem Unendlichen." (Wichtelbacher Volkslexikon)
LöschenGeben Sie bloß acht, dass die Chinesen Ihr schönes Wichtelbach nicht ebenfalls kopieren & klonen:
AntwortenLöschenhttps://www.youtube.com/watch?v=B0LHOunu86Q
Dafür ist es im Hunsrück nicht schön genug ;o)
LöschenIch habe das Wichtelbacher Volkslexikon gerade im ZVAB. zu 750 Euro bestellt. Japanpapier. Goldschnitt, Halbleder. Wehe das stimmt mit ihren Angaben nicht überein.
AntwortenLöschenIch habe es selbst verfasst. Da stimmt jedes Detail.
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