Montag, 25. April 2022

From Dusk Till Dawn


Das Image rheinland-pfälzischer Politiker ist nicht gut. Sie gelten als dröge Hinterwäldler, man denke nur an Kohl, Scharping oder Brüderle. Sie stolperten am Ende über Spenden, die sie noch nicht mal in die eigene Tasche steckten, Pool-Fotos eines Malle-Urlaubs und einen gescheiterten Flirtversuch an einer Hotelbar, wo sie ahnungslos neben einer Stern-Reporterin saßen. Peanuts. Aber wir haben auch andere Kaliber im Sortiment.

Ich spreche von Hans-Otto Scholl, Rechtsanwalt, von 1967 bis 1983 für die FDP im Mainzer Landtag, zuletzt als Fraktionsvorsitzender. Langjähriger Chef der hiesigen Liberalen und bis 1980 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie. In Ludwigshafen-Oggersheim lebte Helmut Kohl im Haus nebenan. Kurz: Ein bequemes Leben an diversen Schweinetrögen. Aber dann flog die FDP aus dem Landtag und die finanziellen Schwierigkeiten begannen.

Schon 1980 hatte er Gelder des Pharmaverbands veruntreut und musste 1,6 Millionen DM Schulden abstottern. „Der Liberale lebte aufwendig, unterhielt zwei Villen und zwei Frauen, fuhr teure Autos und tafelte in feinsten Restaurants. Dafür reichten auch drei Einnahmequellen nicht: monatlich 15000 Mark Beraterhonorar und Bürokostenzuschuss der Deutschen Lufthansa, 5696 Mark Pension vom Pharmaverband und 5400 Mark Übergangsgeld für ausgeschiedene Landtagsabgeordnete.“ (SPIEGEL 26/1985)

Kurz nach Weihnachten 1984 betrat Scholl ein Juweliergeschäft und zog seine Waffe. Er fesselte den Verkäufer und dessen Freundin, die gerade im Laden war. Dann räumte er den Tresor, das Schaufenster und die Vitrinen aus. Er schoss einmal in die Decke und drohte den Gefesselten, sich ruhig zu verhalten, andernfalls würde er sie erschießen. Dabei hinterließ er eine Kugel und eine Patronenhülse als Indizien. Mit einer Beute von 2,6 Millionen DM verließ er den Laden und floh nicht etwa, sondern kaufte, nur wenige hundert Meter vom Tatort entfernt, ein paar teure Klamotten.   

Am 5. Januar 1985 wurde er festgenommen. Er bestritt die Tat, wurde jedoch zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Danach verliert sich seine Spur.

7 Kommentare:

  1. irgendwie war ihm die eigensteuerung entglitten, er hatte etwas falsch verstanden. warum bekam er soviel geld, was machten frauen und kinder, was machte er hinterher? tolle story, so verrückt, fast unglaublich. es ist auch nicht immer gut, viel geld zu bekommen(verdienen wäre das falsche wort).

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  2. "Wenigstens 13 Jahre anständig gelebt".
    Göhring bei seiner Verhaftung 45.
    Las ich mal...

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  3. .....wo ist die Beute geblieben?.......

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    1. Ein Teil war in einem Schweizer Bankschließfach. Aber der Rest?

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  4. Geschichten 🎬 🎥 😱
    die das Leben schreibt 🖋

    ... und er lebt noch, mit 89 💰🎉😎*RESPEKT*

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  5. .... Moment — das ist alles wahr? Wieso gibts das nicht als Fernsehkrimi?

    Gruß
    Jens

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