Freitag, 15. April 2022

Die gute Nachricht

 

Das Schiff legte kurz nach Sonnenaufgang im Hafen der Hauptstadt an. Der Bote ging von Bord. Auf der Kaimauer wartete eine Sänfte mit vier Trägern und eine Eskorte. Kurze Zeit später stieg er vor dem Palast des Königs aus. Vor dem Tor der Palastmauer standen Soldaten mit silberglänzenden Helmen, Brustpanzern und Speeren.

„Ich habe eine dringende Botschaft für den König.“

Das Tor wurde geöffnet und zwei Palastwächter brachten ihn zum Oberaufseher der königlichen Gemächer. Dort wurde er von den Wächtern einer gründlichen Leibesvisitation unterzogen.

„Ich muss sofort den König sprechen. Ich habe gute Nachrichten für ihn.“

„Ihre huld- und gnadenreiche Majestät ist bereits erwacht und kann Sie empfangen“, sagte der Oberaufseher in würdevollem Ton.

Der Bote wurde zur goldenen Brücke gebracht, die über einen Wassergraben führte, die den äußeren vom inneren Palast trennte. Auf der anderen Seite erwarteten ihn vier Palastwächter, die ihn durch viele Säle und Gemächer zum Schlafzimmer des Königs eskortierten.

Zwei riesige Flügeltüren wurden geöffnet und er trat ein. Das Himmelbett war so groß wie ein Tennisplatz und mit Seidenvorhängen verhüllt. Man erkannte den winzigen König nur als Schatten. Ein livrierter Diener kündigte den Boten an und der König winkte ihn mit einer Handbewegung heran.

„Ich habe eine Nachricht für Eure Majestät.“

„So sprecht, Bote.“

„Wir haben den Gegner besiegt. Das Schlachtfeld ist voller Leichen unserer Feinde.“

Der König hüpfte in seinem Bett auf und ab und klatschte dabei lachend in die Hände.

„Schickt meinen Schlachtenmaler zur Stätte meines Ruhms“, rief er.

„Zu Befehl, Eure Majestät.“

In jedem Zimmer des Palastes hing ein Gemälde, das einen Sieg in einer Schlacht zeigte. Niemand hätte es gewagt, dem König die Wahrheit zu sagen. Der Krieg vor schon vor Jahren verloren worden. Aber er hätte es ohnehin nicht geglaubt. Der Krieg gegen das Nachbarland war seine große Leidenschaft. Auch über den Tod durfte man in seiner Gegenwart nicht sprechen. Es gab keinen Spiegel im Palast, so dass der König nicht sehen konnte, wie alt er schon war.

„Ich möchte meinem Volk an diesem Tag des Triumphs einen Besuch abstatten.“

Während der König nach dem Frühstück, das er im Bett einnahm, gebadet und angekleidet wurde, trommelte man hastig ein Haufen Leute zusammen, die ihm am Straßenrand zujubeln sollten. Ihnen wurden Lebensmittelmarken für Mehl, Zucker und Salz gegeben. Kostbare Güter, denn fast alle Einwohner des Landes lebten von ihren Gemüsefeldern draußen vor der Stadt.

Mit einer goldenen Kutsche wurde der König durch die Straßen gefahren. Vor ihm zwei Fanfarenbläser, hinter ihm seine Leibwache auf ihren Pferden. Das Volk jubelte pflichtgemäß und der König war zufrieden. Wie immer wurde ihm auch der einzige Supermarkt der Stadt präsentiert. Leere Konserven standen in Reih und Glied in den Regalen und die Wachsfrüchte in der Obstabteilung sahen appetitlich aus. Zum Glück war der König empfindlich und fasste nie die Waren an.

Auf der Rückfahrt zeigte man ihm die rauchenden Schornsteine, die eine funktionierende Industrie simulieren sollten. Es waren Attrappen, in denen alte Autoreifen verheizt wurden. Für den König war es ein schöner Tag.

 


 

8 Kommentare:

  1. 🙈🙉🙊 ALBTRAUM 🙈🙉🙊

    Johannes 3:16

    Denn so [sehr] hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern ewiges Leben hat.

    KARFREITAGS - GRUß 🙏

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  2. Wovon König Putin Angst hat:
    "Manche Analytiker im Westen denken, Putin fühlt sich von der Nato-Expansion bedroht. Aber noch viel mehr hat er von der "Osterweiterung der demokratischen Lebensweise" Angst." (Robert Misik)

    PS. Dank an Angelnette für den passenden Bibelvers.

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  3. In der Demokratie ist das Volk der Souverän.
    Also König.
    Sagt man uns.
    Und wir sehen auch nur das was wir sehen wollen. Also....

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    1. Das ist richtig. So gesehen sind wir alle Könige und wir lassen uns alle täuschen.

      Es gibt nur einen winzigen Unterschied: Wir haben weder Macht noch Reichtum.

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  4. Na ja....
    Im Vergleich zu sagen wir 80% der Weltbevölkerung sind wir sehr reich und üben durch unseren Rohstoffverbrauch durchaus Macht aus.
    Ungewollt, iss klar.

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    1. Wenn sich ein kleiner Angestellter morgens auf dem Weg zur Arbeit reich und mächtig fühlen möchte, darf er das gerne :o)))

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    2. Nein, es ist nur rücksichtslos.

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  5. Erinnert an Erich Honecker und seinen Tross auf der Fahrt von Wandlitz zum Amtssitz in Berlin.

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