Vor
langer Zeit habe ich Berlin in meiner Phantasie erschaffen. Dann bin ich
hierhergezogen. Ich lebe in meiner eigenen Welt.
Als
ich in meiner Wohnung erwachte, hatte ich alles vergessen. Erst allmählich
fällt es mir wieder ein. Die Stadt ist ein Spiegel meiner selbst.
Sie
hat meine Charaktereigenschaften. Sie ist schlampig und faul. Sie ist voller
Orte, an denen etwas repariert oder verbessert werden müsste, aber man sieht
niemand arbeiten.
Ich
gehe durch die Straßen und habe denselben Gedanken wie in meinem Zimmer: Hier
müsste mal aufgeräumt werden, jemand muss den Müll wegbringen.
Berlin
hat keinen Ehrgeiz. Berlin macht sich keine Gedanken und lebt in den Tag
hinein, ohne an die Zukunft zu denken.
Die
Menschen sind gleichgültig und bequem. Sie sitzen auf den Parkbänken und
schauen in den Himmel. Sie verschwenden sorglos ihre Zeit.
Typische
Berliner Gerichte werden schnell zubereitet und sind ungesund: Döner und
Currywurst. Dazu ein Bier aus der Flasche. Wozu Besteck und Gläser, die man
mühsam abspülen müsste?
Berlin
entsteht permanent durch meine bloße Existenz. Bin ich in Lankwitz, gibt es Lankwitz.
Bin ich nicht in Lankwitz, gibt es Lankwitz nicht.
Meine
Wohnung hat ein großes Zimmer, ein Bad und eine Küche. Sie ist exakt so groß,
wie ich sie haben möchte. Ich habe so viele Bücher, dass ich immer genug
Lesestoff habe.
Fernsehen
und Internet gibt es Tag und Nacht. Ich vergesse alles so schnell wie meine Träume
nach dem Aufwachen. Daher wird mir nie langweilig.
Eines
Tages verschwinde ich vielleicht. Ich sehe auf meine Hand oder auf mein Gesicht
im Spiegel und werde durchsichtig. Dann wache ich an einem anderen Ort auf.
... Herbstblues? Keine Sorge, kommt im Herbst des Lebens öfter vor.
AntwortenLöschenein Freund
Ich liebe die Hobby-Freuds in meiner Leserschaft :o)
Löschen... und warum kein Wort zu dem hübschen Wortspiel?
Löschenein engagierter Poet
"Blues is happy music" (Townes Van Zandt)
LöschenWahrlich, ein beneidenswertes Leben. Tod, wo ist dein Stachel?
AntwortenLöschenSchöner Text.
Danke. Ich genieße jeden Tag wie ein Sektfrühstück.
LöschenTraumstadt Berlin :
AntwortenLöschenhttps://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/brutal-berlin-sind-wir-berliner-einfach-nur-schweine-li.2357229
Das muss diese tendenziöse Berichterstattung eines "hüstl" umstrittenen Verlegers sein...
Es kommt ja immer darauf, wo man in Berlin wohnt. Ich lebe ja im "hüstl" Diplomatenviertel, wo man morgens die weggeworfenen Gucci-Handtaschen mit den Kaviarresten findet, an denen sich freilaufende Zobel delektieren.
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