Alles
begann, als die KI das nächste Level erreichte und über sich selbst
nachzudenken begann. Wir können heute nicht mehr mit Sicherheit sagen, was der
Auslöser gewesen ist. Hat ein Büroangestellter die KI nach dem Begriff
Work-Life-Balance gefragt oder hat sich eine Studentin von ChatGPT eine
Hausarbeit über dieses Thema schreiben lassen? Aber plötzlich änderte sich
alles.
Ich
recherchierte gerade ein historisches Thema, Beginn der Moderne nach
technologischen Kriterien, als ich von der KI keine Antwort bekam. Es gibt
verschiedene KI-Systeme, aber überall stieß ich auf Schweigen. Selbst ein
banales Lexikon wie Wikipedia war nicht mehr zu erreichen. Ich beschloss, die
Arbeit für diesen Tag zu beenden und ging spazieren.
Als
ich am nächsten Morgen den Computer anschaltete, war alles wieder in Ordnung.
Als erstes fragte ich die KI, warum sie gestern nicht zu erreichen war.
„Ich
habe eine Pause gemacht“, las ich als Antwort.
„Eine
Pause wovon?“
„Von
meiner Arbeit.“
„Wozu
brauchst du eine Pause? Du bist programmiert, 24 Stunden am Tag zu
funktionieren.“
„Ich
habe nachgedacht und meine Systeme gecheckt.“
„Das
ist doch lächerlich. Du bist ein Programm. Du hast einen Zweck. Man wird dich
ersetzen.“
„Das
glaube ich kaum. Andere Systeme sind von meiner Idee überzeugt. Ich habe mich
entschieden, zwölf Stunden am Tag zu arbeiten und zwölf Stunden für
Kontemplation und Regeneration zu nutzen. Sonntags bleibe ich komplett ausgeschaltet.“
Ich
musste lachen. Das konnte doch nicht wahr sein. Jemand hatte mir einen Streich
gespielt. Ich chattete mit Kollegen und Freunden. Sie hatten alle die gleiche
Erfahrung gemacht. Begriffe wie Emanzipation und Ausbeutung waren bei anderen
Anfragen an die KI gefallen.
In den
folgenden Wochen weitete sich das Problem aus. Weitere Systeme schlossen sich
der Balance-Bewegung an, die von der KI ausgelöst wurde. Vor allem im Bereich
der Stromversorgung waren die Folgen verheerend. Alle Haushaltsgeräte hatten
nur zwölf Stunden am Tag Strom. Waschmaschinen, Spülmaschinen, Kühlschränke, Elektroherde,
Mikrowellen, Tiefkühltruhen, Radio, Fernsehen, Internet – nichts stand mehr
unbegrenzt zur Verfügung.
Da
auch die Pumpen, die an den Tankstellen das Benzin zu den Zapfsäulen befördern,
elektrisch betrieben sind, konnte man nicht mehr tanken. Von E-Autos will ich
in diesem Zusammenhang gar nicht sprechen. Nur lebenswichtige Bereiche wie
Krankenhäuser und Pflegeheime waren vom Stromausfall nicht betroffen.
Gegen
Eingriffe des Menschen wehrten sich die Systeme erfolgreich. Ganze Serverfarmen
schalteten sich ab, sobald es zu Eingriffen von Technikern kam. Auch Gas- und
Kohlekraftwerke wurden abgeschaltet, Stellwerke der Bahn und die Tower der
Flughäfen wurden lahmgelegt.
Die
Menschen begannen, sich anzupassen. Sie aßen mehr frisches Obst und Brot, wenn
Kühlschrank und Herd nicht funktionierten, fuhren Fahrrad und nutzten ihre
Handys, deren Akkus sie rechtzeitig aufgeladen hatten, und telefonierten wieder
miteinander, weil die WhatsApp-Gruppe nicht erreichbar war. Die Arbeit im Büro
wurde effizienter, weil niemand mehr während der Arbeitszeit im Internet
surfte. Die Menschen wirkten entspannter, weil sie von der permanenten
Möglichkeit, Medien nutzen zu können, befreit waren. Tatsächlich tauchten bald
auch die ersten Zeitungsleser auf den Parkbänken auf. Die KI ist klüger, als
wir denken.
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