Donnerstag, 27. März 2025

Bonetti denkt nach


Letzte Woche habe ich mich mit einer Freundin lange über den Einfluss der Familie auf das Leben - selbst im hohen Alter, wenn die Eltern längst tot sind - unterhalten. Sie hat mir das Buch „... Familie sein dagegen sehr“ von Robin Skynner und John Cleese gegeben, das ich gerade gelesen habe.

Warum gibt es zum Beispiel diesen hartnäckigen Mythos von der guten alten Zeit, in der alles besser war als heute? Die Nummer findet sich ja schon in der Bibel: Wir waren im Paradies und wurden daraus vertrieben, fortan waren Mühsal und Leid unsere täglichen Begleiter auf dem Weg zum sicheren Tod. Skynner sagt, unsere Kleinkindphase, als wir umsorgt, unbeschwert, glücklich und unschuldig waren (jedenfalls die meisten von uns), wäre das verlorene Paradies bzw. die gute alte Zeit. Es ist tragisch, denn das Glück liegt in diesem Fall immer hinter uns und nie vor uns.

Im Buch geht es auch um Bindungen und das wir unbewusst Freunde wählen, die uns ähnlich sind. Ich habe eine halbe Stunde lang angestrengt gegrübelt und eine Liste aufgestellt. Von der ersten Klasse bis heute war ich mit 38 Menschen befreundet, dreißig Männer und acht Frauen. Es gab kein Jahrzehnt, in dem keine neuen Freunde dazukamen oder alte verlorengingen. Ich selbst habe keine Kinder und wollte auch nie eine Familie gründen, also habe ich sie in drei Gruppen eingeteilt: ohne Kinder, mit Kindern und keine Ahnung (Kontakt endete in der Kindheit oder Jugend). Tatsächlich hat die Mehrheit, nämlich zwanzig von ihnen, keine Kinder, elf haben Kinder und bei sieben weiß ich es nicht. Selbst in meiner Kindheit habe ich also hauptsächlich Freunde gehabt, die biographisch denselben Weg eingeschlagen haben wie ich. Knapp zwanzig Prozent der deutschen Frauen bleiben kinderlos, aber fünfzig Prozent meiner Freundinnen. Bei den Freunden steht es 16 zu 7, d.h. 69,5 Prozent sind kinderlos geblieben (rechnet man mich ein, sind es sogar 70,8 Prozent) – obwohl ich die meisten von ihnen schon in meiner Kindheit und Jugend kennengelernt habe, als Familiengründung überhaupt kein Thema war. Ein Beleg für die These von Skynner und Cleese.  

In der Pubertät schließt man, im Gegensatz zur frühen Kindheit, langfristige Freundschaften, um einen stabilen Personenkreis außerhalb der eigenen Familie zu haben, wenn man sich von seinen Eltern und Geschwistern abnabelt. Gründet man später eine eigene Familie, tritt dieser Freundeskreis in den Hintergrund. Kafka sagte, ein verheirateter Freund sei kein Freund. In meinem Fall war es anders. Die Freunde spielten lange Zeit eine größere Rolle als bei den verheirateten Menschen, die ich kenne. Aber irgendwann sind ihre Kinder aus dem Haus und bei mir sind es die Freunde. Alleinsein ist keine Belastung, sondern eine Befreiung. Dazu kommt, dass ich keinen zeit- und energiefressenden Beruf habe.  

 

 

6 Kommentare:

  1. ... irgendwo las ich, dass man mit Mitte/Ende 20 den größten Freundeskreis hat.
    Das "mit Kinder - ohne Kinder -Kinder aus dem Haus" stimmt hundertprozentig.

    Ich schätze ab 60 will man nur noch seine Ruhe haben - a. Und b - hat man inzwischen soviel Arschlöcher erlebt, dass diese Antennen nun sehr feinfühlig geworden sind und deshalb mit nem kleinen oder keinem Freundeskreis zufrieden ist.
    Gruß, ein Freund

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    1. Ich habe schon vor Jahren gedacht: Wenn ich mal meine Memoiren schreibe, heißt das Buch "Meine Ruhe". Ist wichtiger als alles andere.

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  2. Ich habe exakt zwei Freunde. Den einen seit 1986, den andern seit 1994. Mit beiden hatte ich vor langer Zeit Sex. Seit 1968 hab ich auch natürlich auch noch meine Mutter, zu der ich ein durchaus freundschaftliches, jedoch kein von sexueller Anziehung geprägtes Verhältnis habe. Falls das auch zählt, dann wären es sogar drei!

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    1. Ich komme auf vier. Zwei davon sehe ich aber nur 2 -3 x im Jahr.

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  3. Ich hätte es wissen müssen: Bonetti gewinnt immer!

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    1. Es geht hier ja nicht um Wettbewerb. Aber wenn du zwei sagst, sage ich vier :o)))

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