Ich
habe immer von einem Leben in Muße geträumt. Aber da gab es natürlich die
Schule, das Studium und den Beruf. 2013 war es dann so weit – allerdings
unfreiwillig. Ich bekam eine schwere Depression, verließ Berlin und kehrte in
die Obhut meiner Familie zurück. Mein Vater, der mit seiner Frau schon vor
Jahren aus seinem Haus ausgezogen war und nicht weit entfernt in einer
Kleinstadt lebte, kümmerte sich um mich. Ich zog in das Haus, genoss die Ruhe
und den schönen Garten. Ich lebte von meinen Ersparnissen, die Nebenkosten für
das Haus und meine Einkäufe bezahlte mein Vater.
Das
ist jetzt zwölf Jahre her, im Juli 2013 zog ich in Schweppenhausen ein. Als ich
Ende des Jahres wieder gesund war, die Therapie ging noch bis Mai 2014, fing
ich wieder an zu schreiben. Keine Fachbücher und Romane, sondern Texte für
meinen Blog. Kurze Arbeiten erschöpften mich nicht und bis heute bereue ich
diesen Schritt nicht. Ich habe noch nie so viel geschrieben wie in den letzten
Jahren, tausende Seiten sind entstanden und ich lese und schreibe jeden Tag. Inzwischen
sichert meine Erbschaft das gegenwärtige und zukünftige Leben als Müßiggänger.
Muße
wird in der Leistungsgesellschaft oft als Nichtstun denunziert. Aber Nichtstun
ist eine Qual. Man hält es nicht lange aus. Nicht umsonst ist erzwungene
Untätigkeit und Unbeweglichkeit die Höchststrafe, die wir uns für Verbrecher
erdacht haben. Den ganzen Tag, womöglich allein, in einer winzigen Zelle
sitzen, ohne Fernsehen, Internet und Playstation. Schlimmer kann es nicht
kommen. Deswegen sind Strafgegangene dankbar für jede Tätigkeit in einer
Gefängniswerkstatt.
Muße
hieß im antiken Griechenland, von jeder Arbeit und vom Broterwerb befreit zu
sein. Dies war den Sklaven überlassen. Ein freier Mann konnte sich seine
Tätigkeit selbst wählen, er war niemandem zu Gehorsam verpflichtet. Aktivität
und Entspannung sollten im Gleichgewinn sein. Aristoteles schrieb sogar, wer untätig
sei, solle auch nicht spielen. Ein vollkommen nutzloses Leben war verpönt,
Völlerei und Trägheit waren gesellschaftlich nicht akzeptiert.
Die
Form der Tätigkeit bestimmt der müßige Mensch selbst nach seinen Neigungen. Er
kann sich bilden oder auf anderen Gebieten aktiv werden. Wenn wir uns heute die
Frage stellen, wie ein Leben in Muße aussehen könnte, denken die einen an eine
Jam-Session mit Freunden. Man macht Musik, solange man Lust hat, und wer
zuhören will, muss keinen Eintritt zahlen. Die anderen ziehen körperliche Aktivitäten
vor: Tennis, Radfahren, Wandern, Segeln oder was auch immer. Manche legen einen
Garten an, hackeln und pflanzen stundenlang, kommen ins Schwitzen und abends
tut der Rücken weh. Aber sie sind glücklich und zufrieden, wenn sie mit einem
kalten Bier in der Hand auf dem Gartenstuhl sitzen und ihr Werk betrachten.
Muße
bedeutet, eine Sache um ihrer selbst willen zu machen, nicht um Geld zu
verdienen. Dazu gehören auch ehrenamtliche Tätigkeiten, Mithilfe im Haushalt
oder bei der Kinderbetreuung, ökologische Projekte und politisches Engagement. Ein
Leben in Muße bedeutet, frei zu entscheiden, wie viel Zeit wir der Tätigkeit
und wie viel Zeit wir der Erholung zumessen. Denn der Ruhende muss handeln und
der Handelnde muss ruhen, wie Seneca einst schrieb.
Words of wisdom, Lloyd, words of ... wisdom
AntwortenLöschenAll work and no play makes Jack a dull boy.
LöschenWenn das der Kanzler wüsste...
AntwortenLöschenIch bekomme ja keine Sozialleistungen und gegen wohlhabende Menschen hat er doch nix ;o)
LöschenJa, geht Dir denn die deutsche Wettbewerbsfähigkeit völlig am A**** vorbei ? :))
AntwortenLöschenWas soll bloß aus dem Standort werden ?
Ich fordere ein soziales Pflichtjahrzehnt für alle Kiezschreiber Ü59.
Außerdem werden alle Speisen über 900 Kcal/ Tag mit einer 10%igen Kalorienabgabe belegt. (Bonetti-Soli, der)
Ich frage mich manchmal, wie viele Leute meine Blogposts während der Arbeitszeit lesen und welchen wirtschaftlichen Schaden ich damit anrichte.
LöschenSolange der Bonetti-Soli an mich überwiesen wird, habe ich kein Problem damit. Das Pflichtjahrzehnt leiste ich als anerkannter Kriegsdienstverweigerer (seit 1985) als Pflegekraft meiner selbst ab.
... ich freue mich ausdrücklich für jeden, ausgenommen gut situierte Immobilienbesitzer, der seinen Lebensunterhalt so bestreiten kann.
AntwortenLöschenWahrscheinlich sind die dabei manchmal entstehenden Gedankengänge wertvoller für die geistige Gesundheit eines Teils der Bevölkerung als regelmäßig Nachrichten zu lesen.
ein Rentner und Freund
Das Geheimnis ist ein sehr bescheidener Lebensstil: kein Auto, keine Reisen, keine teuren Hobbys, 5€-Shirts. Einfach nur die Basics: Essen, Trinken, Wohnen, Lesen, Schreiben.
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