Mittwoch, 30. Juli 2025

Nuttentexas

 

Die Stadt wurde seit Jahrhunderten von einem bösen Gott beherrscht und das Karma jedes einzelnen Bewohners hatte sich bis in die letzte Zelle seines Körpers mit Gift vollgesogen. Erst hatte Napoleons Armee bei ihrer Rückreise von Moskau die Stadt geplündert, in den Gründerjahren kamen die Ausbeuter, dann die Nazis, anschließend die Russen, gefolgt von den Sozialisten. Was übrig war, rissen sich 1990 die Westdeutschen unter den Nagel. Wer konnte, verließ diesen verfluchten Ort und kehrte nie wieder zurück.

Silvio Koschka und Grischa Bonsack fuhren in ihrem Streifenwagen in langsamem Tempo die Treuhandstraße entlang. Es war früher Samstagabend, sie hatten gerade eine Gruppe junger Asylbewerber kontrolliert, aber alle hatten ihre Papiere dabei und keine Drogen. Es rannte auch keiner weg, so dass man auch niemandem in die Beine schießen konnte. Es war ruhig, es war langweilig – und die Prostituierten würden erst am späten Abend vor dem längst geschlossenen Postamt stehen.

Das Funkgerät ging an. „Wir haben hier einen Code 3“, krächzte eine Stimme aus dem kleinen Lautsprecher.

„Vielleicht noch einen Code 6?“ fragte Koschka.

„Und ein Code 2 wäre auch nicht schlecht“, sagte Bonsack. Beide lachten.

Wenig später standen sie mit ihren Kollegen vor einer Imbissbude und plauderten, während die Sonne unterging. Code 2 stand für Bier, Code 3 für Currywurst, Code 4 für Döner und Code 6 für Fritten. Wenn Sie das kapiert haben, ist das ein Code 11. Currywurst, Fritten und das gute Glückspils der hiesigen Glück-Brauerei.

Danach machten sie ihre übliche Runde durch Klein-Warschau, eine Ansammlung von Spielhallen, Pfandhäusern, Schnapsläden, Schmuckhändlern, bei denen man die Goldzähne seiner toten Großmutter verkaufen konnte, schäbigen Absteigen und trostlosen Kneipen mit noch trostloseren Namen wie „Nuttentexas“, in denen es nach Tabak und Kohlrouladen roch. Auch hier war nichts los. Mit Schlägereien war erst nach Mitternacht zu rechnen, mit Einbrüchen noch später.

„Wollen wir mal zum Helmut-Kohl-Platz fahren?“ fragte Koschka.

Bonsack nickte und grinste. „Da könnten wir einen netten kleinen Fang machen.“

Koschka parkte den Wagen hundert Meter vor dem Platz. Sie stiegen aus und bewegten sich im Dunkel der Häuserfront leise vorwärts. Tatsächlich. Da stand ein junger Mann, von einer Straßenlaterne angestrahlt wie ein erschrockenes Reh vom Scheinwerferlicht eines Autos, und blickte sich nervös um.

Die Polizisten traten aus dem Dunkeln auf ihn zu. Von zwei Seiten. Keine Chance.

„Guten Abend. Personenkontrolle.“

„Ich … ich warte hier nur … auf einen Freund.“

„Na, dann zeigen Sie uns mal, was Sie alles in den Taschen haben.“

Immerhin: 120 Euro und fünfzehn Gramm Gras. Machte sechzig Euro für jeden und das Gras würden sie der neuen Kollegin aus Berlin verkaufen. Für einen Hunderter. Freundschaftspreis.

2 Kommentare:

  1. Für solche peanuts riskiert doch keiner den Beamtenstatus, Digga.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das läuft unter dem Radar. Da bekommst du als Beamter keinen Ärger, die Abteilung für interne Ermittlungen würde der Sache noch nicht mal nachgehen, wenn der Dealer so dämlich wäre und zur Polizei ginge ;o)

      Löschen