Die
Stadt wurde seit Jahrhunderten von einem bösen Gott beherrscht und das Karma
jedes einzelnen Bewohners hatte sich bis in die letzte Zelle seines Körpers mit
Gift vollgesogen. Erst hatte Napoleons Armee bei ihrer Rückreise von Moskau die
Stadt geplündert, in den Gründerjahren kamen die Ausbeuter, dann die Nazis,
anschließend die Russen, gefolgt von den Sozialisten. Was übrig war, rissen
sich 1990 die Westdeutschen unter den Nagel. Wer konnte, verließ diesen
verfluchten Ort und kehrte nie wieder zurück.
Silvio
Koschka und Grischa Bonsack fuhren in ihrem Streifenwagen in langsamem Tempo
die Treuhandstraße entlang. Es war früher Samstagabend, sie hatten gerade eine
Gruppe junger Asylbewerber kontrolliert, aber alle hatten ihre Papiere dabei
und keine Drogen. Es rannte auch keiner weg, so dass man auch niemandem in die
Beine schießen konnte. Es war ruhig, es war langweilig – und die Prostituierten
würden erst am späten Abend vor dem längst geschlossenen Postamt stehen.
Das Funkgerät
ging an. „Wir haben hier einen Code 3“, krächzte eine Stimme aus dem kleinen
Lautsprecher.
„Vielleicht
noch einen Code 6?“ fragte Koschka.
„Und
ein Code 2 wäre auch nicht schlecht“, sagte Bonsack. Beide lachten.
Wenig
später standen sie mit ihren Kollegen vor einer Imbissbude und plauderten,
während die Sonne unterging. Code 2 stand für Bier, Code 3 für Currywurst, Code
4 für Döner und Code 6 für Fritten. Wenn Sie das kapiert haben, ist das ein Code 11. Currywurst, Fritten und
das gute Glückspils der hiesigen Glück-Brauerei.
Danach
machten sie ihre übliche Runde durch Klein-Warschau, eine Ansammlung von Spielhallen,
Pfandhäusern, Schnapsläden, Schmuckhändlern, bei denen man die Goldzähne seiner
toten Großmutter verkaufen konnte, schäbigen Absteigen und trostlosen Kneipen
mit noch trostloseren Namen wie „Nuttentexas“, in denen es nach Tabak und
Kohlrouladen roch. Auch hier war nichts los. Mit Schlägereien war erst nach
Mitternacht zu rechnen, mit Einbrüchen noch später.
„Wollen
wir mal zum Helmut-Kohl-Platz fahren?“ fragte Koschka.
Bonsack
nickte und grinste. „Da könnten wir einen netten kleinen Fang machen.“
Koschka
parkte den Wagen hundert Meter vor dem Platz. Sie stiegen aus und bewegten sich
im Dunkel der Häuserfront leise vorwärts. Tatsächlich. Da stand ein junger Mann,
von einer Straßenlaterne angestrahlt wie ein erschrockenes Reh vom
Scheinwerferlicht eines Autos, und blickte sich nervös um.
Die
Polizisten traten aus dem Dunkeln auf ihn zu. Von zwei Seiten. Keine Chance.
„Guten
Abend. Personenkontrolle.“
„Ich …
ich warte hier nur … auf einen Freund.“
„Na,
dann zeigen Sie uns mal, was Sie alles in den Taschen haben.“
Immerhin:
120 Euro und fünfzehn Gramm Gras. Machte sechzig Euro für jeden und das Gras
würden sie der neuen Kollegin aus Berlin verkaufen. Für einen Hunderter.
Freundschaftspreis.
Für solche peanuts riskiert doch keiner den Beamtenstatus, Digga.
AntwortenLöschenDas läuft unter dem Radar. Da bekommst du als Beamter keinen Ärger, die Abteilung für interne Ermittlungen würde der Sache noch nicht mal nachgehen, wenn der Dealer so dämlich wäre und zur Polizei ginge ;o)
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