Vor zwanzig
Jahren, 2005, hatte ich beschlossen, meine Bemühungen um die Fortsetzung meiner
wissenschaftlichen Laufbahn einzustellen und meinen alten Jugendtraum
wahrzumachen. Ein Leben als Schriftsteller, frei von Hierarchien, Terminen und
Verpflichtungen. Ich habe es bis heute nicht bereut.
Damals
hatte ich noch ein gutes Netzwerk außerhalb der Wissenschaft. Ein
Freundeskreis, auf den man sich verlassen konnte, während sich die ehemaligen
Kollegen nie wieder bei mir gemeldet haben. Im Sommer rief mich ein
FAZ-Redakteur an und fragte, ob ich mit seiner türkischen Ex-Freundin einen
Karriereratgeber für Frauen schreiben könnte, der im FAZ-Verlag erscheinen
sollte. Wir trafen uns mit der Verlagsleiterin in einem Restaurant unweit der
Redaktion und verstanden uns auf Anhieb. Bald danach trudelte der
Verlagsvertrag bei mir ein und wir begannen mit der Arbeit.
Im
Herbst rief ein ZDF-Redakteur an, der bei Suhrkamp bereits fünf Bücher
veröffentlicht hatte, und fragte, ob ich für eine neue Reihe Themenvorschläge
einreichen könne. Ich schickte der zuständigen Lektorin eine Liste mit
Persönlichkeiten aus Politik und Geschichte, über die ich als
Politikwissenschaftler eine Biographie schreiben könnte. Bald darauf rief die
Lektorin an und ich bekam den Auftrag, über Mahatma Ghandi zu arbeiten. Ich
fuhr wieder nach Frankfurt, wir trafen uns zum Essen und ich unterschrieb den
nächsten Vertrag.
Im
FAZ-Verlag wechselte die Leitung und die Zusammenarbeit mit der neuen Chefin
gestaltete sich als sehr mühselig. Ich beschloss, meiner Co-Autorin den Auftrag
zu überlassen. Mal ehrlich: Sollte ich als arbeitsloser Mann einen
Karriereratgeber für Frauen schreiben? Ich war froh, diese Brotarbeit los zu
sein und mich meinem eigentlichen Metier, der Politik, zu widmen. Meine
Co-Autorin bereut es bis heute, dieses Buch geschrieben zu haben und hat nie
wieder etwas veröffentlicht. Sie arbeitet inzwischen als Redakteurin beim WDR.
2006
erschien die Ghandi-Biographie, 2009 mein erster Berlin-Krimi. Seither bin ich
der karmischen Thermik gefolgt, schreibe jeden Tag und bin froh, dass ich
andere Möglichkeiten, die ich hatte, nie genutzt habe. Selbst in den drei
Jahren als Kiezschreiber im Wedding war ich nie länger als einen halben Tag pro
Woche im Büro. Zwanzig Jahre Freiheit und Unabhängigkeit. Das ist unbezahlbar. Und
es geht weiter, neuen Abenteuern entgegen - natürlich nur am Schreibtisch und
auf dem Sofa.
Gut gemacht, bzw. gut nicht gemacht! Denn wer sich einigermaßen ekelfrei im Spiegel betrachten möchte - was ab einem gewissen Alter ja schon schwer genug ist -, der sollte wirklich keinen Karriereratgeber für Frauen geschrieben haben, und auch keinen für Männer oder für Menschen, die nicht so recht wissen, ob sie lieber Männlein oder Weiblein wären. Ausnahme: einen Karriereratgeber z.B. für die Titanic zu schreiben wäre immerhin vorstellbar.
AntwortenLöschenPS.
Wegen Neugier, und wenns nicht zu persönlich ist an diesem Ort: Kannst du mir einen oder zwei deiner Krimititel empfehlen?
"Weißer Wedding" passt in deine Gegend.
LöschenStimmt, das passt. Soeben beim Jeff bestellt. Und vielen Dank!
LöschenPS.
Aber Obacht: eine rasiermesserscharfe Rezension im Reich-Ranicki-Style folgt demnächft in dieser Kommentarfpalte.
Fred Chinchin, klasse Typ.
AntwortenLöschenein Freund (18 Rue du Faubourg du Temple, da hing er oft rum)
Ich wusste gar nicht, dass er schon vor langer Zeit gestorben ist.
LöschenSchreibtisch. Sofa. Das hat doch keinen Stil ;)
AntwortenLöschenAb sofort sehen wir Dich im Cafe Central , bei einem Einspänner, Marillenlikör, Gitanes und haufenweise Groupies.
Früher gab es ja nicht weit von meiner Wohnung das Romanische Café. Da hätte ich die Kollegen und die Schönheiten aus der Halbwelt treffen können.
Löschen