Freitag, 10. Februar 2023

Die Versammlung

 

Die Aktionärsversammlung verläuft planmäßig. Andy Bonetti, der Vorstandsvorsitzende, verliest den Jahresbericht. Solides Wachstum. Augenhöhe mit Bertelsmann und Springer. 750 Millionen Euro Umsatz. Gewinn nach Steuern: eine Million Euro. Das macht bei einhundert Millionen ausgegebenen Anteilsscheinen eine Dividende von zehn Cent pro Aktie, die an die Aktionäre ausgeschüttet wird.

Dann beginnt der Tumult. Leere Bierflaschen und faule Eier fliegen in Richtung Bühne, die zum Glück durch einen Drahtkäfig geschützt ist. Nachdem sich die Aktionäre wieder etwas beruhigt haben, werden Bonetti unangenehme Fragen gestellt.

„Warum gibt es das Hochglanzmagazin Huhn & Morchel immer noch? Das kauft doch kein Schwein.“

„Die Rezepte finden allgemein Anklang beim Publikum“, antwortet Bonetti ruhig.

„Was ist mit der Zockerworld? Die Zeitschrift müsste längst online sein. Die jungen Leute gehen doch nicht mehr zum Kiosk.“

„Denken Sie doch an die Arbeitsplätze in der Druckerei.“

„Wie hoch ist Ihr Gehalt als CEO?“

„3,5 Millionen Euro.“

„Warum haben Sie ein Privatflugzeug?“

„Das ist langfristig günstiger als die vielen Flüge in der ersten Klasse.“

„Was ist mit der firmeneigenen Luxusyacht?“

„Wir haben häufig Recherchen auf dem Meer. Denken Sie nur an die Nord-Stream-Pipeline. Wir haben exklusiv berichtet, dass die albanische Gasmafia dahintersteckt.“

„Wie wollen Sie die Kosten reduzieren?“

„Also gut. Ich will kein Unmensch sein. Wir werden fünfhundert Redakteure entlassen.“

Tosender Applaus, Sektkorken knallen, Luftballons kommen von der Decke.

 

1 Kommentar:

  1. Mit Verlaub, Huhn & Morchel ist doch Boomer ;)
    Morchel und Huhn dagegen, mit Wuzinudeln serviert, rettet das Klima !

    https://www.falstaff.de/rd/r/morchel-huhn-mit-wuzinudeln/

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