Dienstag, 26. August 2025

Der junge Mann

 

Wir suchten bis zum Abend. Dann gaben wir auf. Er wollte nicht gefunden werden. Jeder von uns wusste es, aber keiner sprach darüber.

Wenn Kinder Verstecken spielen, begrenzen sie das Areal. Eine Wohnung, ein Haus, ein Garten. Vielleicht eine Wiese zwischen ein paar Wohnblocks. Aber sie würden sich nicht auf der anderen Straßenseite verstecken.

Der junge Mann konnte überall sein. Vielleicht war er ein paar Kilometer weit den Strand entlanggelaufen. Oder er war zur Straße gegangen und dort beim Trampen mitgenommen worden. Dann konnte er hundert Kilometer weit weg sein.

Wir kannten ihn kaum. Er war allein angereist und sprach nicht viel. Als er nicht wie alle anderen zum Mittagessen erschienen war und der Manager ihn weder in seinem Zimmer noch am Meer vor dem kleinen Hotel finden konnte, machten wir uns Sorgen. Wo sollte er an diesem abgelegenen Ort hingehen?

Ich wollte in der nahegelegenen Siedlung nach ihm suchen. Ich bog vom Strand in einen Weg ein, der von einer hohen Hecke gesäumt war. Einheimische saßen im Schatten der Hecke, manche schliefen, manche sahen mich an. Die Blicke der Schwarzen waren gleichgültig, nicht feindselig.

Ich ging weiter. Manchmal war eine kleine Gartentür in die Hecke eingelassen, dahinter sah ich Menschen und kleine Häuser. Aber ich traute mich nicht, einen von ihnen anzusprechen oder eine Tür zu öffnen. Ich gehörte nicht hierher, noch nicht mal auf den sandigen Weg vor dem Dorf.

Schließlich kam ich auf ein offenes Feld. Männer und Frauen arbeiteten mit ihren Hacken, die Rücken gebeugt. Ich konnte bis zum Horizont blicken, aber der junge Mann war nicht zu sehen.

Ich kehrte um und ging zurück zum Hotel. Ein anderer Gast sprach mich an. „Das war gefährlich“. Ich nickte. Es war sinnlos, reine Zeitverschwendung.

Am Abend saßen wir auf der Veranda. Kaum jemand sagte ein Wort. Wir haben nie wieder etwas von dem jungen Mann gehört.      

 

 

 

3 Kommentare:

  1. "Ich gehörte nicht hierher." Da haben wir sie in einem Satz, die Grunderfahrung des wahren Künstlers. Schöne Geschichte jedenfalls. Nur eine Kritik: sie sollte vielleicht noch etwas kürzer sein, oder viel länger.

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